Die Brut
T-Shirts hervorschaute, war leicht gebräunt und absolut glatt. Wie lächerlich, dass die Frauen sie zu dem Outfit erst hatten überreden müssen.
Nicht! Es ist total sexy. Sie haben eine solche Superhaut
, hatte die Stylistin gerufen, als Tessa in der Garderobe des Fotostudios das viel zu knappe T-Shirt schnell wieder hatte ausziehen wollen.
Sie dürfen Ihren Bauch nicht verstecken. Ich krieg total Lust, auch schwanger zu werden, wenn ich Ihren Bauch sehe
. Erst nachdem die
Now!
-Redakteurin und die Kostümfrau ebenfalls erklärt hatten, dass Tessa in dem weißen T-Shirt mit dem Wickelrock aus goldener Seide zum Sterben phantastisch aussah, hatte sie den dunklen Anzug, den sie selbst mitgebracht hatte, in den Kleidersack zurückgepackt.
Alles, was sie bisher erreicht hatte, war nichts gewesen. Der Ruhm, den sie vor diesem Tag zu besitzen geglaubt hatte – Kinderspielzeug. Tand. Eine von diesen gefälschten Handtaschen, die in Italien an jeder Straßenecke feilgeboten wurden. Jetzt erst hatte sie es wirklich geschafft.
The real thing
. Wie hatte sie das Wort
oben
vor diesem Tag jemals in den Mund nehmen können.
Tessa parkte ihren Mercedes in der teuersten Einkaufsstraße der Stadt mitten im Halteverbot. Sollte doch eine Politesse kommen und sie abschleppen lassen. Es gab keinen auf der Straße, der sie nicht anstarrte, keinen, der sich nicht nach ihr umdrehte.
»Wann ist es denn so weit?«, fragte eine Frau, die ihr mit schweren Tüten beladen entgegenkam.
Tessa lächelte hinter ihrer rauchgrau getönten Sonnenbrille und ging weiter.
Die Verkäuferin in ihrem bevorzugten Schuhgeschäft begrüßte sie strahlend.
»Das Foto ist ja so toll«, rief sie, kaum dass Tessa den Laden betreten hatte. »Wann ist es denn so weit?« Tessa nahm auf einer der blau gepolsterten Samtbänke Platz.
»Mitte Juni.« Die Verkäuferin im bevorzugten Schuhgeschäft erhielt auf diese Frage eine Antwort. Die zweite Verkäuferin, die Tessa nur flüchtig vom Sehen kannte, kam hinzu.
»Sie sieht ja so toll aus, nicht?«, sagte die erste Verkäuferin zu der zweiten.
»Total. Bewundernswert. Mein Gott, ich erinnere mich noch, wie unförmig ich mich damals gefühlt habe. – Darf ich Ihnen vielleicht ein Mineralwasser bringen?«
»Gern. Aber bitte ohne Kohlensäure.«
»Ich schätze mal, dass Sie heute etwas Flacheres suchen?«, fragte die Verkäuferin, noch bevor die andere mit dem Wasser auf einem kleinen Silbertablett zurückkam. »Ich war ja leider noch nie schwanger, aber ich kann mir gut vorstellen, dass das mit den hohen Absätzen jetzt nicht mehr so angenehm ist.« Sie schwirrte zu einem Metallregal. »Ich hab da einen ganz tollen Stiefel hereinbekommen. Schauen Sie mal. Ist der nicht der Wahnsinn? Ein bisschen Cowboystiefel, ein bisschen Collegeschuh, einfach süß.«
Tessa lehnte sich zurück, während die Verkäuferin vor ihr auf die Knie ging, um ihr den Stiefel anzuziehen.
»Oh. Entschuldigung. Mein Gott.« Die Verkäuferin hatte den Reißverschluss des Stiefels hochgezogen und war beim Aufstehen mit dem Ellbogen gegen Tessas Bauch gestoßen. »Ich hoffe, ich habe Ihnen nicht wehgetan.«
»Das macht doch nichts«, sagte Tessa. Wenn sie noch eine Viertelstunde in dem Laden blieb, würde sie der Frau sogar erlauben, ihren Bauch anzufassen.
5
Wer war das blonde Gift, das vorhin aus deinem Zimmer kam?«, fragte Tessa, als Attila und sie Anfang April beim Fenchel-Orangen-Salat mit Kaninchenleber saßen. Sie hatte Attila ausnahmsweise im Büro abgeholt, und im Sekretariat war ihr eine bekannt vorkommende Blondine auf bleistiftdünnen Absätzen begegnet.
Attila griff mit beiden Händen in den Edelmetall-Brotkorb, um zwei nicht richtig geschnittene Baguettescheiben zu trennen. »Katja Franz.«
»Moderiert die nicht irgend so ein Boulevard-Magazin?«
»Das Format ist scheiße, aber sie macht einen guten Job.«
»Und du hilfst ihr jetzt, das Format aufzupolieren?«
Attila spießte zwei Orangenfilets und ein Stück Leber auf seine Gabel, schob alles in den Mund und steckte, noch bevor er zu kauen anfing, Baguette dazu.
»Ich habe mit ihr vereinbart, dass sie einspringt, falls es bei dir ein Problem gibt.«
Im ersten Augenblick dachte Tessa, sie hätte sich verhört. Attila kaute so kräftig, dass sie sich leicht verhört haben konnte. Das Stechen in ihrer Brust sagte ihr, dass sie richtig gehört hatte. »Das hast du nicht wirklich getan«, sagte sie, und ihre Hand krampfte sich in die Damastserviette auf ihrem
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