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Die Brut

Titel: Die Brut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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wie einen alten Bekannten. Sebastian hatte versprochen, heute nicht ganz spät zu kommen, obwohl er bereits in den Endproben steckte. Noch zwei Wochen bis zur Premiere. Auch wenn sie einen Horror davor hatte, sich mit ihrem Bauch drei Stunden auf einen engen Theatersitz zu quetschen, würde sie in jedem Fall hingehen. Es war erst Sebastians zweite Premiere in der Stadt, seitdem sie zusammen waren. Sie wollte mit ihm feiern, bei ihm sein. Hoffentlich saß das schwarze Schlitzkleid, das ihr die Schneiderin gemacht hatte, dann noch immer so gut wie bei der Anprobe.
    Das Telefon klingelte.
    »Nein!« Tessa schrie auf, blutiger Zahnpastaschaum spritzte gegen den Spiegel. »Nein!«
    Mit zehn langen Schritten war sie in ihrem Arbeitszimmer.
    »Du Arsch. Steck dir dein Teil sonstwo hin, aber lass mich in Ruhe. Okay?«
    Tessa hatte das Telefon bereits wieder vom Ohr genommen, ihr Finger sauste der Taste mit dem roten Symbol entgegen, als sie zwei leise Wörter hörte:
Du Schlampe
.
    Langsam, sehr langsam legte sie das Telefon auf den Schreibtisch und ging nach unten. Der Zahnpastaschaum lief ihr aus einem Mundwinkel, achtlos wischte sie ihn mit dem Ärmel ab. Vor der Tiefkühltruhe blieb sie stehen, ging in die Knie, ihr Bauch ließ kein echtes Bücken mehr zu, und zog die Schublade heraus, in der die vereiste Wodkaflasche lag. Ihre Finger zitterten. Einen Schluck ab und zu durfte sie trinken. Das hatte Elena immer gesagt. Einen Schluck nur und ganz viel Orangensaft dazu.
    Hass, tief wie aus einem Erzschacht, hatte in den beiden Wörtern gelegen. Kein Zufallsanrufer konnte so viel Hass für eine Unbekannte aufbringen. Aber das allein war es nicht, was Tessa das erste Glas in schnellen Zügen leeren und zum zweiten Mal nach der Wodkaflasche greifen ließ. Die Stimme, die so hasserfüllt in ihr Ohr gekrochen war, gehörte einer Frau.
    Was hältst du von Emil?«
    Sebastian griff nach einem hellblauen Strampler und befühlte den Stoff, als habe er sein Leben lang nichts anderes getan, als Babykleidung zu testen.
    Tessa verzog das Gesicht. »Damit später auf dem Schulhof alle rufen:
Wo haste denn die Detektive gelassen?
«
    »Bis Emil eingeschult wird, kennt das doch keiner mehr.«
    »Unterschätz die künftige Jugend nicht, du alter Bildungssnob.«
    Tessa nahm Sebastian den Anzug, auf dessen Brust sich drei Kätzchen balgten, ab und hängte ihn an die Stange zurück. Nie hätte sie geglaubt, welche Auswahl an Babyklamotten es gab. Selbst hier, in diesem exklusiven Geschäft, das nur Textilien aus ökologisch erzeugten Naturfasern verkaufte. In dem Korb, der von Sebastians Ellbogen baumelte, lagen dennoch erst drei Bodys, zwei Pullis, ein Strickjäckchen und fünf Strampelanzüge. Sie mussten sich beeilen, wenn sie bis Ladenschluss die erste Garderobe ihres Sohnes zusammenhaben wollten.
    »Hast du eigentlich Carola erzählt, dass ich schwanger bin?«, fragte Tessa, während sie mit beiden Händen den blassgelben bis zartvioletten Reigen der Strampelanzüge durchging.
    Sebastian lachte auf. »Dein Bauch hängt in der ganzen Stadt. Es war nicht wirklich nötig, dass ich ihr davon erzähle.«
    Tessa nahm einen weißen Anzug mit Kapuze von der Stange. »Und wie hat sie reagiert?«
    »Sie hat mir gratuliert, wieso?«
    »Letzte Nacht gab es wieder so komische Anrufe.«
    »Und was soll Carola damit zu tun haben? Das letzte Mal hast du mir doch erzählt, dass es ein Stöhner war.«
    »Vielleicht habe ich mich damals geirrt. Diesmal war es eine Frau.«
    Sebastian runzelte die Stirn. »Hat sie etwas gesagt?«
    »Ich habe es nicht verstanden. – Was meinst du zu dem hier? Der ist doch schön.«
    Tessa hielt Sebastian den weißen Kapuzenanzug hin.
    »Ja. Sehr schön. – Ich glaube nicht, dass Carola etwas damit zu tun hat. Das war sicher einer von deinen durchgeknallten weiblichen Fans.«
    »Ist ja auch egal.« Tessa legte den Anzug in Sebastians Korb. »Wenn’s wieder anfängt, muss ich mir eben eine neue Telefonnummer geben lassen.«
    Die nächste halbe Stunde verbrachten sie damit, Mützen und Söckchen auszusuchen.
    »Sind die nicht der Wahnsinn?«
    Sebastian hielt ein Paar weiße Lederschuhe in die Höhe, die so klein waren, dass jede halbwegs ausgewachsene Puppe sie beleidigt zurückgewiesen hätte.
    »Unglaublich.«
    Er schlüpfte mit Zeige- und Mittelfinger in die beiden Schuhe hinein und ließ sie über Tessas Bauch wandern.
    »Sebastian.« Sie wehrte ihn lachend ab.
    »Hey, Sohn, streck mal deine Füße aus. Ich will sehen, ob

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