Die Buchmagier: Roman (German Edition)
protestierte ich. »Könntest du vielleicht …?«
»Selbst wenn ich um alle Geheimnisse Gutenbergs wüsste, was übrigens nicht der Fall ist, die Art, in der er mich gebannt hat, hindert mich daran, mich in derartige Angelegenheiten einzumischen.« Er lachte; ein müdes, bitteres Geräusch. »Ich kann dir nicht helfen, aber genauso wenig kann ich ihn beschützen, falls du dich entscheiden solltest, seinem Leben ein Ende zu setzen.«
»Was würdest du tun?«
Er schüttelte den Kopf, und seine Augen schienen in weite Ferne zu blicken. »Ich habe früher Macht über Menschenleben gehabt. Mit der Zeit habe ich gelernt, dass man mir solche Macht nicht anvertrauen sollte. Welche Fehler Gutenberg auch gemacht hat; ich vermute, ich hätte viel schlimmere begangen.«
»Ich will die Pförtner nicht leiten!«
»Was dich besser dafür qualifiziert als viele andere!«, entgegnete de Leon.
Das konnte nicht sein Ernst sein! Ich war ein gescheiterter Außendienstmitarbeiter, der nicht im Geringsten darauf vorbereitet war, ein globales Netzwerk von Magiern zu führen. Dafür zu sorgen, dass nichtmenschliche Rassen der Öffentlichkeit verheimlicht blieben und den Frieden zwischen verschiedenen Rassen zu sichern. Meine eigenen Leute zu beaufsichtigen. Das Verschließen potenziell gefährlicher Bücher zu überwachen.
»Du wirst wahrscheinlich keine zweite Chance bekommen«, fuhr er fort.
»Warum erzählen Sie uns das?«, fragte Lena. »Sind Sie hergekommen, um uns dazu zu überreden, Ihren Rivalen für Sie umzubringen?«
De Leon gluckste bloß. »Was ich von euch will, ist, dass ihr die Konsequenzen eurer Entscheidung überdenkt, egal wie euer Entschluss dann ausfällt.«
»Woher sollen wir die kennen?« Gutenberg hatte sich entschieden, den Vampiren zu erlauben, ein Nest in Detroit zu gründen. Als Folge davon hatte ein abtrünniger Vampir Charles Huberts Bruder ermordet. Gutenberg hatte Huberts Geist und Magie verschlossen, statt ihn einzusperren. Jahre später hatte eine Explosion dieses Schloss zerschmettert und so einen Mörder erschaffen. Wer hätte irgendetwas davon vorherzusehen vermocht?
De Leon zuckte nur die Schulter und inspizierte ein anderes Buch.
Alles, was ich gewollt hatte, war, ein Forscher zu sein, um zu schauen, wie weit die Magie uns bringen konnte. Um die Magie wahrhaftig zu verstehen. »Als Charles Hubert starb, sah ich die Figuren, die sich in seinen Verstand geschlichen hatten. Ich erblickte aber auch noch etwas anderes.«
»Etwas, das dir Angst machte«, sagte de Leon nickend. »Etwas Altes und Schreckliches und Unaufhaltsames.«
»Ja.«
»Was du da gesehen hast, ist der Grund, weshalb Gutenberg es Wesen wie Vampiren und Werwölfen gestattet, zu existieren.«
»Wieso?«, wollte Lena wissen.
»Weil wir – falls dieses Ding jemals den Weg auf unsere Welt findet – ihre Stärke brauchen werden, um es zu besiegen.«
Ich dachte an Huberts Angriff auf das Detroiter Nest und mein Treffen mit Alice Granach. »Wieso sollten sie uns helfen?«
»Überleben.« Er ging an mir vorbei und sah auf Gutenberg hinab. »Entscheide dich schnell, Buchmagier! Doch welche Entscheidung du auch triffst, sorge dafür, dass du auf das vorbereitet bist, was als Nächstes kommt!«
»Was soll das heißen?«
Er seufzte. »Johannes ist ein brillanter, sturer, hochmütiger Mann. Die Pförtner haben sich alle Mühe gegeben, sein Verschwinden zu verdecken, aber diese Nacht hat ihre Anstrengungen zunichtegemacht. Die Welt der Zauberei wird erfahren, was passiert ist. Nach all der Zeit wissen wir jetzt, dass Gutenberg verwundbar ist. Es gibt immer jene, die solche Schwachstellen ausnutzen würden.«
»Sag mir, was ich in Huberts Verstand gesehen habe!«
Er schüttelte den Kopf. »Nur Gutenberg kennt die Wahrheit.«
Und falls Gutenberg starb, würde diese Wahrheit mit ihm gehen. Wenn ich Antworten wollte, musste ich ihn wiederherstellen.
Um Ponce de Leons Mundwinkel zuckte es, was darauf hindeutete, dass er nur zu gut wusste, was mir durch den Kopf ging. War das die ganze Zeit über seine Absicht gewesen – sicherzustellen, dass ich Gutenberg rettete, indem er mich daran erinnerte, wie viel Wissen verloren ginge, falls er starb?
De Leon beugte sich über den Körper und drückte Gutenberg einen sanften Kuss auf die Lippen. »Te amo, du alter Narr.«
Ich machte große Augen. Im Lauf der Jahre hatte ich mich oft gefragt, was wohl passieren würde, wenn Ponce de Leon und Johannes Gutenberg einander Auge in Auge
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