Die Buchmagier: Roman (German Edition)
Andere waren auf den Boden gefallen. Ein Buch erregte meine Aufmerksamkeit besonders: ein dicker, ledergebundener Foliant, der vor alter Magie knisterte.
Lena beugte sich über Gutenberg und kniff in die Haut an seinem Handrücken. »Er ist dehydriert.«
Ich wandte mich von den Büchern ab, um Gutenbergs Gestalt genauer zu betrachten. »Ich denke, ich kann den Zauber entfernen, mit dem Hubert ihn unter Kontrolle gehalten hat.«
Sie zögerte. »Isaac … bist du sicher, dass dies das Richtige ist?«
Ich musste nicht fragen, was sie meinte. Wenn ich mich konzentrierte, konnte ich die Macht des Grals in jeder einzelnen Zelle von Gutenbergs Körper sehen und wie sie versuchte, den Schaden, den Huberts Drogen und Zauber angerichtet hatten, zu neutralisieren und ihn am Leben und jung und gesund zu halten. Solche Macht war uns Übrigen verboten, aber sich selbst hatte Gutenberg zur Ausnahme gemacht.
Als Automat konnte ich diesen Zauber auflösen.
Unterschied sich Gutenberg denn so sehr von Charles Hubert? Wie dieser hatte auch jener seine Feinde versklavt, ihre Geister in die Körper seiner Automaten gesperrt und sie gezwungen, ihm durch die Jahrhunderte zu dienen. Wer war Katherine Pfeifferin gewesen? Eine Kriminelle, die die Einkerkerung verdiente, oder eine Frau, die er umworben und die ihn verschmäht hatte und die dann den Preis dafür zahlen musste?
Gutenbergs Leben zu retten hieß, ihn wieder in seine Machtposition über die Pförtner einzusetzen. Hieß, ihm zu gestatten, weiterhin Verstand und Zauberkraft derjenigen zu manipulieren, die seine Regeln brachen.
Niemand kannte Johannes Gutenberg wirklich. Er hatte so lange über die Pförtner gewacht, und seine Anwesenheit hatte tatsächlich einen gewissen Grad von Frieden und Stabilität aufrechterhalten. Aber wie weit würde er gehen, um die Organisation zu schützen? Was war sein besonderer Verdienst, der ihn berechtigte, sich einen Sitz als faktischer Herr über alle Angelegenheiten magischer Natur zu sichern?
Ich sah auf die schwächliche, blasse Gestalt des mächtigsten Buchmagiers der Welt herab und flüsterte: »Ich weiß es nicht.«
Eine neue Stimme in der Tür sagte: »Wie du dich auch entscheidest, ich schlage vor, du tust es schnell.«
Lena reagierte vor mir, riss Excalibur hoch und richtete es auf den geisterhaften Mann, der hinter uns stand. Das Büro war nur schwach beleuchtet und die Umrisse des Mannes unscharf, doch die Stimme wie auch seine Magie identifizierten ihn genauso sicher wie ein Fingerabdruck.
»Ist es dir nicht verboten, Spanien zu verlassen?«
»Weshalb ich es auch nicht verlassen habe. Körperlich.« Ponce de Leon kicherte und hinkte an uns vorbei, wobei er wie ein Gespenst durch Lenas Schwert hindurchging. Gedankenverloren blätterte er ein paar der Bücher auf dem Schreibtisch durch. Seine Finger berührten sie zu keinem Moment, aber in Reaktion auf die von ihm ausgehende Macht flatterten die Seiten auf. »Charles Hubert ist tot?«
»Er hat sich selbst getötet«, erwiderte Lena.
»Ach, tatsächlich? Ich frage mich …« Er schnalzte mit der Zunge, als er ein Exemplar von Tollwut untersuchte. »Ungeschickte Arbeit bei diesen Schlössern. Als hätte er versucht, die Venus von Milo mit einer Kettensäge nachzuschnitzen.«
Er wandte sich zu Gutenberg. Ich hob den Arm, aber er kicherte bloß wieder. »Ich könnte ihm nichts tun, selbst wenn ich es wollte – nicht in dieser Form jedenfalls.« Er streckte die Hand aus und strich Gutenberg mit geisterhaften Fingern durch die Haare auf der Stirn. »Ach, Johannes! Du wusstest, dass es nicht ewig gut gehen konnte.«
»Was konnte nicht ewig gut gehen?«, wollte Lena wissen.
De Leon ignorierte die Frage. »Ihr seid unglücklich mit den Entscheidungen, die Gutenberg getroffen hat? Ihr glaubt, jemand anders könnte es besser machen?«
»Sie meinen, jemand wie Sie?«, fragte Lena.
De Leon hob die Hände, als wollte er einen Angriff abwehren. »Mich wieder mit Politik und Bürokratie fesseln? Oh Gott, nein!« Er sah zu mir hoch. »Isaac hingegen zeigt Potenzial. Die Zauberei ist sowohl Kunst als auch Wissenschaft, und danach zu urteilen, was er hier mit sich selbst angestellt hat, hat er ein Händchen für beides. Ich nehme an, mit ein bisschen Arbeit könnte er herausbekommen, wie man die verbleibenden Automaten kontrolliert, und von da an führt eine ziemlich gerade Straße an die Spitzenposition.«
»Ich weiß nicht mal, wie ich mich aus diesem Körper befreien soll!« ,
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