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Die Buchmagier: Roman (German Edition)

Die Buchmagier: Roman (German Edition)

Titel: Die Buchmagier: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim C. Hines
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sich schon ab. Der Bibliothekar in mir erschauderte ob der Ausbesserungen, die ich im Alter von elf Jahren vorgenommen hatte, indem ich offenbar eine halbe Rolle durchsichtiges Packband auf den Versuch verwendet hatte, den Einband zu reparieren.
    Gutenberg hatte das Buch verschlossen, um den Ring der Macht am Entkommen zu hindern. Unsere Welt hatte schon genug Probleme mit machtbesessenen Führern. Ich führte dieses Buch aus anderen Gründen als denen der Zauberei mit mir.
    Jeder Libriomant hatte ein erstes Buch. Tiefer in mein Gedächtnis gebrannt als mein erster Kuss, war dieses Buch mein magisches Erwachen gewesen. Ich weiß noch, wie ich auf dem Boden meines Schlafzimmers saß und bis spät in die Nacht hinein las; meine blaue Tagesdecke hatte ich mir wie ein behelfsmäßiges Zelt über den Kopf gezogen, während ich mit einer Batman-Taschenlampe auf genau diese Seiten leuchtete.
    Mich hatte es nicht nach dem Ring verlangt. Gandalf sagte, mit dem Ring sei Ärger vorprogrammiert, und ich, der ich ja erst elf Jahre alt war, glaubte ihm. Ich hatte Frodos Schwert haben wollen; Stich: eine Elbenklinge, leicht genug, dass jemand wie ich sie benutzen konnte. Frodos Peiniger waren Goblins und Orks gewesen; meine die Schulhofschläger unten an der Straße, die an der Haltestelle darauf warteten, eine weitere Runde Verkloppt-den-Außenseiter spielen zu können.
    Ich öffnete das Buch bei einer vertrauten Szene. Ich kannte die Worte auswendig, aber ich las sie trotzdem. Frodo war vom Hexenkönig von Angmar niedergestochen worden. Er wurde von den Elben nach Rivendell gebracht, wo er wieder mit seinem Onkel Bilbo zusammenkam. Bilbo war es, der seinen Neffen mit einer Mithrilrüstung und dem verzauberten Schwert Stich beschenkte.
    Ich strich mit den Fingern über die vergilbten Seiten, fühlte die kalte magische Strömung unter den Worten: Gutenbergs Schloss, obwohl ich zu jener Zeit seine Zauberei nicht erkannt hatte. Ich hatte mir die Wärme von Rivendell vorgestellt, den Sonnenschein und die warmen Brisen, das Gefühl des Friedens, das die Luft erfüllte, und dann …
    Wie jedes Kind, das mit Geschichten von Zauberwelten hinter Gemälden, Spiegeln und Kleiderschränken groß geworden war, hatte ich mich danach gesehnt, Mittelerde zu betreten, durch das Buch hindurch zugreifen.
    Meine ganze Hand war taub geworden. Einen Moment lang war es, als hätten meine Finger sich in lebendigen Text verwandelt, als würden Wörter in brauner Druckfarbe sich durch Haut und Muskeln und Knochen schrauben.
    Ich hatte geschrien und das Buch durchs Zimmer geschleudert und danach fast ein Jahr lang keinen anderen Roman mehr angerührt. Meine Eltern, die davon überzeugt waren, dass ich Drogen genommen hatte, hatten mich gezwungen, einen Therapeuten aufzusuchen.
    Zu jener Zeit hatte ich die Worte nicht verstanden, die versuchten, meine Hand zu verzehren. Ich hatte sie auch nicht ausreichend deutlich gesehen, um sie niederzuschreiben. Aber bis ich auf die Hochschule ging, hatte ich mir selbst genug beigebracht, um die Fragmente, an die ich mich noch erinnern konnte, als Latein zu identifizieren.
    Ich konnte Gutenbergs Schloss spüren. Wie ein unsichtbares Kapitel war es in das Buch gezwängt worden und lenkte jedwede Magie ab, die aus den Seiten entwich, sperrte sie sozusagen ein. In der Theorie sollte es dasselbe mit jedem tun, der versuchte, in das Buch hineinzugreifen oder es zu manipulieren. Das bedeutete, dass ein einmal angebrachtes Schloss unmöglich wieder entfernt werden konnte.
    Sicher, wenn man erst einmal das Schwert von Conan dem Barbaren aus einem Buch gezogen hatte, um sich ein tollwütiges Wereichhörnchen vom Leib zu halten, verlor der Begriff ›unmöglich‹ viel von seiner Unabänderlichkeit. Wenn jemand ein Buch aufschließen konnte, dann der Mann, der die Libriomantik erfunden hatte. Und der erste Schritt wäre, sich die verschlossenen Originaltexte zu besorgen.
    Ich fächerte die Seiten auf. Das samtartig strukturierte Papier unter meinen Fingerspitzen weckte Erinnerungen an jene frühen, ungeschulten Zauberversuche, viele Jahre nach meinem spätabendlichen Tolkientrauma. Als ich anfing herauszufinden, wie man sich bewusst diesen Glauben an und die Liebe für die Erzählung nutzbar machen konnte, hatte ich es ein kleines bisschen übertrieben. Um ein Haar wäre ich durchs letzte Schuljahr der Oberstufe gerasselt, weil ich zu sehr damit beschäftigt war, Sachen wie einen Schallschraubenzieher (dessen Funktionsweise mir

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