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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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ist ein gerechtes Entgelt.« Er schaute kurz in Richtung des Strohlagers. »Außerdem hoffe ich, dass sie selbst etwas von der Brühe und dem Fleisch essen wird …«
    Als Roger Donata einen der Flügel reichte, hob der Hund seinen Kopf von den großen Pfoten und schnupperte. »Der Hund hat Glück gehabt … Entweder ist er so stark, dass er die Angreifer vertreiben konnte, obwohl er angebunden war. Oder es waren nur wenige und junge Wölfe. Es ist ein übles Ende für ein Tier, festgebunden einer Wolfmeute ausgeliefert zu sein und in Stücke gerissen zu werden«, meinte er nachdenklich.
    Roger nahm sich ebenfalls einen Flügel und hockte sich in das Stroh neben der Feuerstelle. Sein Blick fiel auf Donata, die ihr Geflügelstück immer noch in den Händen hielt. Ihr Gesicht war sehr bleich. Roger betrachtete sie forschend. »Könnt Ihr wegen Eures Glaubens das Huhn nicht essen?«
    »Ich bin keine Albigenserin.« Donata sagte sich, dass dies möglicherweise für ein, zwei Tage die letzte Nahrung war, die sie bekommen würde. Sie zwang sich, die Haut abzuziehen und ein wenig weißliches Fleisch vom Knochen zu lösen. Es gelang ihr, das Fleischstück zu kauen und hinunterzuschlucken.
    Eine Weile aßen sie schweigend. Schließlich legte Roger den abgenagten Knochen beiseite und sagte: »Aber Ihr geltet als rückfällige Ketzerin. Und das nicht erst, seit der Kardinal beschlossen hat, Euch dazu zu erklären …« In seiner Stimme schwang eine Frage mit.
    »Glaubt Ihr denn tatsächlich, dass jeder, den die Kirche zum Ketzer erklärt, auch tatsächlich einer ist?«, versetzte sie heftig. »Ich hätte Euch für klüger gehalten.«
    »Wie freundlich von Euch.« Er ließ einige Strohhalme durch seine Finger gleiten. »Nein, ich glaube es nicht. Und mir selbst ist es ohnehin gleichgültig, welchem Glauben ein Mensch anhängt …«
    »Nur dass Ihr die Ansicht des Staufers teilt, die Ketzerei richte sich auch gegen ihn, den obersten weltlichen Herrn der Kirche!«
    »Ja, abgesehen davon … Aber, was hat es mit Euch und der Ketzerei nun wirklich auf sich?«
    »Wollt Ihr das wissen, weil Ihr mich, für den Fall, dass ich tatsächlich eine Ketzerin wäre, mit besserem Gewissen der Inquisition ausliefern könntet?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich möchte es nur so wissen. Aus keinem bestimmten Grund.«
    Donata forschte misstrauisch in seiner Miene, erkannte jedoch nur Interesse darin. »Ich bin bei Albigensern aufgewachsen«, sagte sie schließlich, »aber ich habe dem Glauben meiner Familie und des Dorfes, in dem ich aufgewachsen bin, abgeschworen.«
    »Was nicht unbedingt bedeuten muss, das Ihr den albigensischen Glauben tatsächlich aufgegeben habt …«
    »Ich habe es aber getan. Und nicht nur deshalb, weil man mich dazu gezwungen hat.« Sie legte das Kinn auf ihr angezogenes Knie und betrachtete das Spiel von Licht und Schatten, das das Herdfeuer in den niedrigen Raum warf. »Ich glaube nicht mehr, dass die Schöpfung und ihre Abbilder schlecht sind. Dazu sind die Dinge zu schön. Die Farbe eines Blatts ist nicht einfach grün. Sie kann eine Beimischung von Blau oder Gelb haben und vielleicht ist eine winzige Spur von Rot mit darin.« Ihre Stimme klang warm und der Ausdruck ihres Gesichts wirkte versunken, als sie weiterredete. »Die Benediktinerinnen hatten mir den Auftrag gegeben, die Bilder für ein Herbarium anzufertigen. Damit sollte das Wissen über die Heilkunst des Klosters weitergegeben werden …«
    Donata schaute Roger rasch an. »Die Heilkunst des Klosters war mir gleichgültig. Aber ich wollte die Kräuter so abbilden, sie so auf dem Pergament festhalten, wie ich sie sah. Mit all ihren Einzelheiten … Es war, als würde ich sie noch einmal neu erschaffen. Wenn ich etwas malte, ein Kraut oder ein Bild zu einem biblischen Text, war es immer so, als würde ich die Pflanze oder die Szene noch einmal erschaffen …« Ihre Stimme war leiser geworden. Schließlich brach sie ab und sah mit leerem Blick vor sich hin.
    »Was meint Ihr damit – wenn ich etwas ›malte‹?« Es ist ihre Sache, dachte Roger. Es geht mich nichts an …
    »Ich kann nicht mehr malen, seit ich aus dem Kloster geflohen bin. Meine Hand gehorcht mir nicht mehr. Es ist eine Strafe des Himmels.«
    Roger empfand einen plötzlichen Ärger, dessen Ursache er sich nicht erklären konnte. »Warum sollte es eine Strafe des Himmels sein?«
    Donata hob jäh den Kopf. Ihr schmales Gesicht spiegelte Zorn und Schmerz und ihre Augen wirkten sehr dunkel.

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