Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
Vom Netzwerk:
und sich heftig hin und her zu bewegen. Donata schaute zu ihm und blickte dann Roger ruhig an.
    »Könntet Ihr mir vielleicht eine kurze Zeitspanne gewähren? So lange, wie ich benötige, um das Kind noch einmal zu füttern?« Es war eher eine Forderung als eine Frage und noch etwas anderes schwang darin mit, was er nicht deuten konnte.
    »Ja, aber beeilt euch«, entgegnete er knapp und hängte sich sein Bündel um. Danach fasste er das Maultier an der verfilzten Mähne und zog es nach draußen, denn am Vortag, auf dem letzten Wegstück, hatte er den Eindruck gehabt, dass es mit einem Hinterbein ein wenig lahmte. Den Hund, der ihm folgen wollte, drängte er zurück und schloss die Tür vor ihm.
    Im Osten brach die Sonne durch einen Spalt in den Wolken. Eine rötliche Zunge aus Licht erschien über den dicht verschneiten Hügeln. Wieder und ohne dass er hätte sagen können, warum, stieg Freude in ihm auf. Er gab dem Maultier eine Hand voll von den Körnern zu fressen, die er in einer Tasche seines Mantels aufbewahrte, und kniete sich dann in den Schnee, um die Hinterhufe zu untersuchen. Der rechte Huf war in Ordnung. Aber in den linken hatte sich ein Stein eingegraben. Roger nahm ein Messer aus seinem Bündel und hatte es eben an dem Huf angesetzt, um den Fremdkörper herauszuschneiden, als der Hund in der Hütte wütend zu bellen begann. Fast gleichzeitig bemerkte Roger die Soldaten des Kardinals, die auf die Lichtung ritten. Fünf Männer. Sie entdeckten ihn in demselben Moment wie er sie. Eine Hundemeute sprang um sie herum. Die Tiere stimmten nun auch ein Gebell an, brachen jedoch, auf den scharfen Zuruf eines der Soldaten hin, wieder ab.
    Roger schob das Messer in seinen Gürtel und setzte den Huf des Tiers langsam auf dem Boden ab. Er zwang sich, aufzustehen und den Soldaten so entgegenzuschauen, wie es jeder Köhler tun würde. Staunend, angesichts ihrer kostbaren Kleidung, verwirrt und auch ängstlich. Erschreckend deutlich begriff er, dass ihm nur ein einziger Ausweg blieb. Nur wenn sie ihn für den Köhler hielten, würde er ihnen entkommen können. Während die fünf Männer gemächlich näher ritten, nahm Roger wahr, dass die rötliche Lichtzunge über den Hügeln verblasste. Plötzlich bedauerte er, dass er Donata nicht ihres Weges hatte ziehen lassen. Wenn es ihm nicht gelang, die Soldaten zu täuschen, würde sie ebenfalls umkommen. Und dies war allein seine Schuld.
    Enzios Männer hatten ihn fast erreicht. Der Atem, der aus den Nüstern der Pferde stieg, bildete weiße Wolken in der kalten Luft. Roger ging einige Schritte auf sie zu. Der Soldat, der an der Spitze ritt – ein Mann, der helle Augen und einen kurz geschnittenen Bart hatte –, redete ihn an.
    »Du … ist in den letzten Tagen eine Frau hier gewesen? Oder eine Frau mit einem Mann …?« Der Reiter mühte sich, die richtigen Worte in der fremden Sprache zu finden, während er Roger aufmerksam musterte.
    »Nein, Herr. Niemand kommt hier im Winter vorbei, der nicht dazu gezwungen ist. Es ist gefährlich für jemanden im Wald, der die Wege nicht kennt. Und es gibt Wölfe, sie haben uns vor kurzem heimgesucht …«
    Der Soldat ließ die Zügel durch seine Hände gleiten. »Die Frau ist eine Ketzerin. Und was den Mann betrifft …«
    Roger bekreuzigte sich. Gleichzeitig hatte er die Empfindung, sich selbst, die Reiter und die Hunde, die lauernd neben ihnen standen, von sehr weit her auf der verschneiten Lichtung zu beobachten. Er hörte, wie sich der Soldat an die übrigen Reiter wandte und mit ihnen im Dialekt der Lombardei beriet, ob es sich lohnte, das Gehöft zu durchzusuchen. Unter gesenkten Lidern schaute Roger zu, wie sie die niedrige Hütte, den erloschenen Meiler und die schäbigen Ställe betrachteten. Er versuchte, sich in ihre Lage zu versetzen. Sie hatten einen Auftrag zu erfüllen – andererseits, warum sollte der Köhler sie belügen? Und warum sollten die Frau und der Mann, nach denen sie suchten, ausgerechnet diesen Weg genommen haben? Möglicherweise vergeudeten sie in dieser abgelegenen Köhlerei nur ihre Zeit …
    Roger war sich beinahe gewiss, dass sie sich dafür entscheiden würden weiterzureiten, als einer der Soldaten aus dem Sattel sprang und auf ihn zukam. Ein blonder Mann, fast noch ein Jüngling. Auf einer seiner Wangen befand sich eine schlecht verheilte, etwa fingerlange Narbe mit aufgewölbten Wundrändern. Noch während Roger dachte, dass die Narbe wirkte, als befände sich ein Tau unter der Haut, wusste er,

Weitere Kostenlose Bücher