Die Buchmalerin
– mit dem Schnee, was sein Schreien noch steigerte. Währenddessen bewegte sich die Frau unruhig auf ihrem Lager. Das Fieber hatte sie wieder erfasst und sie kam nicht wirklich zu sich.
Als das Kind sauber und frisch gewindelt war, fütterte Donata es mit Honig, den sie in einem Tiegel gefunden und auf ein zusammengerolltes Stoffstück gestrichen hatte. Dazu setzte sie sich auf den einzigen Schemel, den es in der Hütte gab, und lehnte ihren Rücken an die Wand. Allmählich wurde sie schläfrig. Während der Säugling weiter an dem mit Honig getränkten Stoffstück sog, döste sie ein. Wie in weiter Entfernung hörte sie ein Huhn panisch gackern und das Gackern unvermittelt abbrechen. Das Kind jammerte. Sie kam wieder zu sich, strich noch etwas von dem Honig auf den Stoff und steckte diesen in den kleinen geöffneten Mund. Im Halbschlaf nahm sie wahr, wie Roger die dämmrige Hütte betrat. Er hielt etwas Unförmiges in den Händen. Der riesige Hund folgte ihm. Das Tier lief hinkend zum Lager und knurrte, als es Donata roch. Doch auf einen Zuruf von Roger hin gab es Ruhe. Es schnüffelte an dem Strohlager, reckte seinen Kopf zu der Kranken hin und ließ sich daneben auf den Boden fallen.
Wieder dämmerte Donata ein. Zwischen Wachen und Schlafen erschien es ihr, als ob sich Roger an der Feuerstelle zu schaffen machte. Sie glaubte, ein Licht aufflammen zu sehen und zu spüren, wie allmählich Wärme in ihren starren Körper kroch. Irgendwann schrie das Kind wieder. Als sie aufwachte, hockte Roger auf dem Boden. Von der Feuerstelle her, wo jetzt ein Tongefäß auf einem Dreifuß stand, fiel das Licht der Flammen auf ihn. Er hielt die Augen geschlossen.
Sie gab dem Kleinen noch einmal von dem Honig. Während er an dem Stoffstück sog, bog sich sein Körper vor Anstrengung. Als sie aufstand, schreckte Roger hoch. Schweigend sah er ihr zu, wie sie den Säugling zwischen die Tücher legte. Donata, die immer noch schläfrig war, erschienen die Wärme, das Licht und der geschützte Ort nach den Tagen, die sie in der Kälte zugebracht hatten, völlig unwirklich. Sie deutete auf den Hund, der den breiten, haarigen Kopf auf die Pfoten gelegt hatte und neben den Strohsäcken schlief, und meinte: »Wie habt Ihr es fertig gebracht, dass das Tier Euch nicht aufgefressen hat?«
Roger reckte sich, gähnte und zuckte die Schultern. »Man hat mir beigebracht, mit Hunden umzugehen.«
»Oh, noch eine weitere Tätigkeit, die Ihr beherrscht. Neben der des Spitzels, Falkners und Arztes …?«
»Vielleicht.« Er stand auf, trat an das Lager und beugte sich zu der Kranken hinab. Ihr Atem ging unregelmäßig und keuchend. Behutsam hob er das Stoffstück, das die Einschnitte am Arm bedeckte, und begoss es noch einmal mit dem Schnaps. Wieder war seine Miene wach und konzentriert.
Donata sagte sich, dass es besser war, nicht zu viel mit ihm zu reden. Er war der Gegner, den sie früher oder später täuschen und dem sie entkommen musste. Dennoch fragte sie: »Was meint Ihr – ob die Frau allein hier lebt? Oder ob ihr Mann den Kohlenmeiler verlassen hat und bald zurückkehren wird?«
Roger wischte sich die Hände mit einem Tuch ab, das er ebenfalls mit dem Alkohol befeuchtet hatte, und deutete mit einer Kopfbewegung zu einem Winkel an der gegenüberliegenden Seite der Hütte, wo einige Kleidungsstücke an einem Haken hingen und ein Paar derbe Stiefel standen. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihr Mann bei dieser Kälte ohne seinen Mantel und ohne die Stiefel weggegangen ist. Wahrscheinlich ist er tot, und das seit noch nicht allzu langer Zeit, denn sonst wäre die Frau wohl kaum den Winter über mit dem Säugling in dem abgelegenen Meiler geblieben …«
Von der Feuerstelle her ertönte ein Zischen. Roger stieß einen leisen Fluch aus. Er lief durch die niedrige Hütte, machte sich an dem tönernen Topf zu schaffen und sagte über die Schulter: »Falls Ihr etwas zu essen haben wollt, solltet Ihr kommen …«
Die Kranke bewegte sich leise stöhnend, hielt die Augen aber immer noch geschlossen. Als Donata neben Roger trat, zerlegte er mit einem Messer ein gekochtes Huhn. Neben einem zweiten lag es in einer Brühe, auf der kleine Fettaugen schwammen. Donata erinnerte sich an den Abend in der Küche der Beginen und an den feinen Knochen, der aus dem Schenkel des Geflügels herausragte. Ihr Magen krampfte sich zusammen und ihr wurde übel.
»Habt Ihr die Hühner aus dem Stall des Meilers genommen?«, murmelte sie.
»Ja, ich denke, das
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