Die Buchmalerin
einem harten Griff konnte er es daran hindern. Hastig drehte er sich im Sattel um. Ein grobknochiger Fuchs stieg hoch auf. Er verdrehte die Augen und schlug mit den Hufen durch die Luft. Der junge blonde Soldat, der ihn ritt, hatte sich in die Mähne verkrallt.
Rasch warf Léon die Zügel seines Tieres über einen Busch und sprang ab. Aber als er sich seitlich dem Pferd näherte, das im Begriff war, durchzugehen, gelang es dem Soldaten, es selbst wieder in seine Gewalt zu bekommen. Zwei der Hunde jedoch, einer davon war der Leithund, lagen jaulend und winselnd im Schnee.
»Dummkopf!«, fuhr Léon den unglückseligen Reiter an und beugte sich zu den Hunden herab.
»Herr, ein Tier, ein Hase vielleicht, ist durch das Unterholz gerannt und hat mein Pferd erschreckt«, verteidigte sich der junge Mann, dessen Wange eine schlecht verheilte Narbe verunzierte.
»Und wenn schon. Einen guten Reiter zeichnet es aus, dass er ein Pferd auch in solchen Momenten in der Gewalt hat«, gab Léon scharf zurück.
Auch die anderen Männer waren abgesprungen. Der Soldat, der für die Hunde zuständig war, bedachte den Schuldigen mit einer gemurmelten Verwünschung und kniete sich neben die verletzten Tiere in den Schnee. Der Leithund scharrte mit drei Beinen und versuchte, sich aufzurichten. Den linken Vorderlauf bewegte er jedoch nicht. Auf einen sanften Zuruf seines Herrn hin lag er wieder ruhig da. Vorsichtig tastete der Mann den Lauf ab.
»Herr«, wandte er sich an Léon, der ihm unverwandt zugesehen hatte, »ich fürchte, das Pferd hat dem Hund das Bein gebrochen. Ich werde versuchen, es zu richten. Und was diesen dort betrifft …« Er deutete auf das andere Tier, das die Hufe des Pferdes getroffen hatten und dessen Maul roter Schaum kränzte. »Es ist nicht zu retten.«
»Es wäre schade um ihn.« Der Diener des Kardinals betrachtete den Leithund nachdenklich. »Er ist ein wertvolles Tier und einer der besten Spürhunde, den wir je hatten. Brauchst du Hilfe?«
Der Soldat nickte. »Jemand muss ihn festhalten, während ich den Lauf schiene.«
»Ich bleibe.« Léon wandte sich den Soldaten zu, die ihn und den Hundebetreuer in einem Halbkreis umstanden. »Reitet langsam voraus. Im Lauf des Tages werden wir euch einholen. Und du«, er wies auf einen Mann, der helle Augen und einen kurz geschnittenen Bart hatte, »wirst die Gruppe befehlen.«
»Ja, Herr.« Der Angesprochene schwang sich auf sein Pferd, und nachdem auch die anderen Reiter wieder aufgesessen waren, setzten sie ihren Weg fort.
*
Obwohl es in der Hütte dunkel war, wusste Roger, dass es kurz vor oder nach Tagesanbruch sein musste. Er lauschte und glaubte, auf dem Strohlager den leisen Atem der Kranken zu hören, war sich jedoch ungewiss, ob er sich nicht täuschte. Er tastete sich bis zur Feuerstelle, wo die Glut nur noch vereinzelte rötliche Flecken in der Asche bildete. Dort entzündete er einen Kienspan. Mit dem brennenden Holzstück in der Hand kehrte er in den hinteren Teil der Hütte zurück und ließ den Feuerschein über das Lager wandern. Das Gesicht der Frau war dem niedrigen Raum zugewandt. Ihre Augen hielt sie noch immer geschlossen. Aber sie wirkten nicht mehr eingefallen. Und trotz des unruhigen Lichts war unverkennbar, dass ihre Haut die fahle Blässe verloren hatte.
Freude stieg in Roger auf. Zum ersten Mal, seit er dem Tross des Kardinals in Richtung Norden gefolgt war. Er sagte sich, dass er keinen Grund hatte, sich zu freuen. Schließlich hatte er seinen Auftrag noch immer nicht zu Ende geführt. Trotzdem war er einfach zufrieden, an dem schmutzigen Strohlager zu stehen und die Kranke zu betrachten, deren Antlitz die ersten Zeichen der Genesung trug. Er bemerkte, dass Donata neben ihn trat. Sie beugte sich vor und betrachtete ebenfalls die Frau. Als sie sich wieder aufrichtete, blickte sie ihn an. Ein Lächeln zog über ihr schmales Gesicht und er erwiderte es.
»Ich hatte der Kranken also nicht zu viel versprochen«, sagte sie mehr zu sich selbst und ohne den bitteren Spott, mit dem sie ihm sonst meist begegnete, »Ihr habt ihr tatsächlich helfen können.«
»Lasst uns etwas essen …« Roger deutete mit dem Kopf in Richtung der Feuerstelle. »Wir müssen weiter.«
»Ach ja, ich vergaß.« Donatas Lächeln erlosch.
Sie aßen hastig die Reste des Huhns, ließen jedoch das zweite und die Brühe für die Kranke zurück. Als sie die letzten Bissen zu sich genommen hatten, begann der Säugling in seinem Bündel aus Stofffetzen zu schreien
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