Die Buchmalerin
Wald hinein. Er hörte die matte, ängstliche Stimme der Kranken und Donatas Antwort. Der Säugling wimmerte. Roger wartete, starrte unentwegt nach draußen. Die Soldaten kehrten nicht zurück.
Erst jetzt begriff er allmählich, was geschehen war. Er drehte sich zu Donata um, ahnte in dem düsteren Licht, das die Hütte füllte, mehr, wo sie stand, als dass er sie sah. »Wir müssen weiter. Falls die Leute des Kardinals Verdacht schöpfen …«
»Ja«, erwiderte sie leise. Roger öffnete die niedrige Tür. Der Hund sprang auf, schüttelte sein struppiges Fell und wollte sich an ihm vorbei nach draußen drängen. Doch nach einem energischen Stoß und auf einen scharfen Zuruf hin, kehrte das Tier um und ließ sich hechelnd wieder neben dem Lager zu Boden fallen.
Donata griff nach ihrem Bündel. Rasch trat sie noch einmal zu dem ärmlichen Bettchen, in dem das Kind nun wieder lag, und schaute auf es hinab. Schließlich wandte sie sich mit einer heftigen Bewegung um und wies auf das Maultier, das träge auf dem strohbedeckten Boden stand.
»Was ist mit ihm? Nehmen wir es nicht mit?«
»Nein, ohne es kommen wir im Unterholz schneller voran.« Roger griff nach Donatas Arm und zog sie nach draußen. Noch immer erstreckte sich die Lichtung leer im grauen Morgenlicht vor ihnen. So schnell sie konnten, hasteten sie auf die schützenden Bäume zu.
*
»Herr, wartet …!« Am Rand einer kleinen Lichtung brachte der Hundeführer sein Pferd zum Stehen und drehte sich im Sattel zu der improvisierten Trage aus Fellen und Zweigen um, die das Tier hinter sich herzog. Tatsächlich, der verletzte Rüde, den er auf der Trage festgebunden hatte, stieß ein Winseln aus. Rasch sprang der Mann aus dem Sattel und beugte sich zu dem Hund hinab. Er winselte wieder, lauter jetzt als zuvor. Den schmalen Kopf hatte er erhoben, seine Nüstern waren gebläht und nun rang er sich ein leises, keuchendes Bellen ab.
»Was ist? Willst du jedes Mal Halt machen, wenn der Hund zu winseln beginnt?«, ließ sich Léon ungeduldig vernehmen.
»Nein, Herr.« Der Hundeführer beobachtete weiter den Rüden, dessen Kopf sich in Richtung einer Spur bewegte, die ein, zwei Ellen weit von der Trage entfernt durch den Schnee führte. Die Fußtritte zweier Menschen, die noch recht frisch sein mussten. Denn sie wiesen keinerlei Verwehungen auf.
Léon, der ebenfalls aus dem Sattel gesprungen war, trat zu ihm. Sein Blick wanderte von dem witternden Hund zu der Fußspur. Sie verlief quer über die Lichtung und endete an einer Hütte. Von dort erklang wütendes Hundegebell. Huftritte und Hundespuren im kniehohen Schnee wiesen darauf hin, dass vor kurzem die anderen Soldaten die Lichtung gekreuzt und – aus welchen Gründen auch immer – hier ihren Weg unterbrochen hatten.
»Du meinst, er hat die Witterung wieder aufgenommen?«, Léon deutete auf den Rüden, dessen Brust sich nun gegen die Lederstreifen spannte, die ihn auf der Trage festhielten.
»Ja, Herr.«
»Aber die übrigen Hunde scheinen nichts erschnüffelt zu haben.«
»Er ist der Beste …« Der Hundeführer zuckte die Schultern und strich dem Rüden kurz über den Kopf, ehe er ihm befahl, er solle Ruhe geben.
Sie banden die Pferde an einem Gebüsch am Rand der Lichtung fest. Während sie auf die Hütte zugingen, steigerte sich das wütende Gekläff des Hundes in ihrem Innern. In das Gebell mischte sich das Weinen eines Säuglings. Als sie die niedrige Tür erreichten, warf sich das Tier drinnen dagegen. Léon griff nach seinem Dolch und gab dem Hundeführer ein Zeichen, ehe er die Tür aufstieß. Ein kalbsgroßer Hund mit langem, zotteligem Fell drängte heraus und verteidigte den Eingang mit Knurren und hochgezogenen Lefzen. Der Hundeführer riss den Arm nach oben, als wollte er das Tier angreifen. Als der Hund hochsprang, machte Léon einen raschen Schritt nach vorn und schnitt ihm die Kehle durch.
Eine Frau schrie gellend – sie lag auf einem Lager an der Rückwand der Hütte. Léon, der den Raum mit wenigen Schritten durchquert hatte, packte sie und drehte ihr Gesicht dem Licht zu. Es war rundlich, mit fiebrig glänzenden Augen, nicht das schmale Gesicht der Frau, die er suchte. Bis auf den zuckenden Leib des Hundes, der im Eingang lag, und ein Maultier, das sich in eine Ecke drängte, war die Hütte leer.
»Die Frau … Hier war eine Frau … Wo ist sie hingegangen?« Léon schüttelte die Kranke grob. Sie schrie immer noch und hatte den Blick starr auf den Hund gerichtet, um den sich eine
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