Die Buchmalerin
Schminke konnte er erkennen, wie angespannt ihr Gesicht war.
»Ihr müsst es weiter versuchen.«
»Ich habe Angst. Ich halte es nicht mehr lange aus …«
Er ergriff ihren Arm und sagte leise und scharf: »Denkt daran, Ihr habt Euch bereit erklärt, mit mir zu kommen. Es ist Eure Entscheidung. Wollt Ihr den Beginen helfen oder nicht?« Plötzlich hatte er die Empfindung, dass ihm die Worte in der Kehle brannten. Ein blonder Diener, der ein aufgeworfenes Kinn und eine gerade, irgendwie zu kurze Nase hatte und einen Korb voller Brotstücke in den Armen hielt, näherte sich ihnen. Roger nahm von dem Brot, gab Donata auch ein Stück und schüttelte leicht den Kopf.
Die Augen des anderen Kundschafters wurden hart. »Ich versuche noch heute Nacht, Euch zu treffen. Gegen Morgengrauen komme ich zu Eurer Unterkunft …«
Als er weiterging, murmelte Donata: »Wer war das? Friedrichs anderer Spitzel?«
Roger nickte geistesabwesend, während er wieder den Saal betrachtete. Sie hatte Recht. Es waren zu viele Gäste hier. Und vorn, an der Stirnseite des Saals, nahe den hohen Herrschaften, hatten sie viel zu wenige von ihnen im Blick.
Gemächlich schlenderte er zu dem Vorsteher der Spielmannsgruppe, dessen Gesicht von der Wärme und von dem Wein, den er schon getrunken hatte, gerötet war.
»Die Gäste sind freundlich«, sagte Roger beiläufig. »Aber glaubt Ihr nicht, dass sie noch freundlicher wären, wenn sie mehr von Euch und Eurem Spiel hätten?«
»Wie meint Ihr das?«, fragte der schwarzhaarige Mann verdutzt.
»Bleibt Ihr immer an dem Platz, den Euch der Diener zuweist, oder geht Ihr auch manchmal zwischen den Tischen hindurch?« Roger wies auf das Schiff der Basilika, wo nun einer der Gaukler auf die Schultern eines anderen stieg und ein dritter sich wiederum anschickte, auf den zweiten hinaufzuklettern. Einige der Gäste warfen den Gauklern Geldstücke zu.
Ludwig, der Vorsteher, wiegte zweifelnd den Kopf. »Ich bin mir nicht sicher, ob der Diener es uns erlaubt …«
»Hört zu«, sagte Roger hastig. »Wenn er das Zeichen gibt, dass wir auf unseren Platz an der Stirnseite des Saals zurückkehren sollen, dann beginnen wir stattdessen einfach mit dem Spielen und schreiten die Tafeln ab, eine nach der anderen. Ich bin überzeugt, er wird uns nicht aufhalten.«
»Ich weiß nicht …«, wandte der Vorsteher ein. Doch die Freigiebigkeit der Gäste besänftigte seine Bedenken. Als die Gauklergruppe kurz darauf aus dem Saal stürmte und der Diener die Musiker anwies, ihren alten Platz wieder einzunehmen, ordnete Ludwig seine Leute rasch zu Paaren.
»War das Euer Einfall?«, fragte Donata. Obwohl ihre Stimme sehr leise war, klang sie gepresst.
Roger nickte. Singend und spielend, langsam im Takt der Musik, bewegten sie sich an den Tafeln entlang. Roger versuchte, sich auf den Rhythmus zu konzentrieren, den er schlagen musste. Ihm war heiß und ein wenig übel von den Essensgerüchen und dem Rauch, der in dicken Schwaden in der Luft hing. Dann und wann betrachtete er Donata von der Seite. Ihr Blick war auf die Menschen gerichtet, die zu beiden Seiten der langen Tafeln saßen. Doch ihrer Miene war nicht zu entnehmen, ob sie irgendwo den Mann entdeckt hatte, nach dem sie suchten.
Schließlich hatten sie alle Tische umrundet. Die Musikanten ließen die Instrumente sinken und die Sängerinnen verstummten. Sie schickten sich an, zu ihrem Platz seitlich des Podiums zurückzukehren, als der Kardinal die Hand hob. Seine steingrauen Augen glänzten und deuteten an, dass er dem Wein gut zugesprochen hatte.
»Kennt ihr das Lied von Walther, dem Dichter?«, fragte er in das Stimmengewirr, das den Saal füllte. »Das Lied vom Mai und der Liebe …«
»Ja, Herr«, beeilte sich der Vorsteher zu sagen.
»Dann spielt es für uns!« Enzio bedeutete ihnen, auf das Podium zu kommen. Roger spürte, wie sich Donata neben ihm verkrampfte. Er biss die Zähne zusammen und half ihr die wenigen Stufen hinauf. Sie nahm sie ungelenk mit ihrem verletzten Fuß. Nachdem die Gruppe sich zu einem Halbkreis aufgestellt und er und Donata sich eingereiht hatten, trennten sie von Léon kaum noch zwei oder drei Körperlängen. Der Diener kann uns nicht erkennen, versuchte Roger, sich zu beruhigen. Dennoch hatte er Angst.
Der Gesang setzte ein. Er hörte Donatas Stimme. Sie erschien ihm sehr zittrig. Zu seiner Erleichterung unterhielt sich der Kardinal mit dem König und beachtete die Spielleute nicht. Erst bei der letzten Strophe des Liedes ließ er
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