Die Buchmalerin
Nebengebäude zu folgen.
»Vorhin, als Enzio die Frau zu sich gewinkt hat«, murmelte der Blonde, als sie dort angelangt waren, »ich dachte, mir bliebe das Herz stehen. Für einen Augenblick habe ich tatsächlich geglaubt, wir seien ihm in die Falle gegangen. Schließlich sähe es ihm ähnlich, derart mit seinem Gegner zu spielen … Und dürr, wie die Frau ist, dürfte sie kaum seinem Geschmack entsprechen.«
»Er hat ihre Angst gespürt …«
»So …? Wie habt Ihr ihn dazu gebracht, sie wieder loszulassen? Was habt Ihr ihm zugeflüstert?«
Roger wiederholte knapp, was er zuvor schon Donata erzählt hatte.
»Ihr seid wirklich geistesgegenwärtig …« Der andere Kundschafter lachte trocken und anerkennend auf und Roger empfand erneut Unwillen und Ärger.
»Hat sie den Zeugen des Mordes unter den Gästen gesehen, während Ihr um die Tische herumgezogen seid?«
»Nein.«
»Das hätte uns viel Zeit gespart.« Der Blonde stieß einen leisen Fluch aus. »Aber immerhin, vielleicht finden wir den Mann an einem ganz anderen Ort. Ich habe mich unter der Dienerschaft umgehört. Etwa drei, vier Tage, bevor Enzio den Inquisitor umbrachte, kam ein Mann an Heinrichs Hof. Er hat früher zum Gefolge des Königs gehört, eine ganze Zeit, ehe ich selbst dazukam. Odilo heißt er. Er war, wie ich von einem anderen Diener erfahren habe, angeblich auf dem Weg nach Speyer, um irgendeine Familiensache zu ordnen. Dieser Odilo soll klug und besonnen und gemeinsam mit Heinrich erzogen worden sein. Der König, so sagt man, schätzt ihn sehr …«
»Es wäre nicht dumm von Heinrich, jemanden als Boten in dieser heiklen Sache zu wählen, dem er vertraut, der aber nicht mehr seinem Gefolge angehört«, entgegnete Roger nachdenklich.
»Ja, denn auch wenn sich der König sonst nicht sonderlich weise verhält, seinen Vater fürchtet er. Und er muss sich darüber im Klaren sein, dass Friedrich ihn beobachten lässt. Dieser Odilo besitzt ein Gut in der Nähe von Adenau. In vier, höchstens fünf Tagen könntet Ihr und die Frau dort sein …«
»Ich weiß«, sagte Roger versonnen.
»Ihr kennt die Gegend?«
Roger schaute auf den Schnee nieder, der hier, in der Dunkelheit zwischen den Schuppen, eine stumpfgraue Farbe hatte. Als er schließlich antwortete, klang seine Stimme unbeteiligt: »Während ich Enzio von Trier nach Köln gefolgt bin, kam ich recht nahe an dieser Gegend vorbei.«
»Jedenfalls ist es gut, wenn Ihr Euch dort auskennt und nicht lange nach Odilo suchen müsst. Ich habe mittlerweile einen Boten mit einem Brief zu Friedrich geschickt, damit der Kaiser erfährt, was Ihr herausgefunden habt.«
»Jemand von unseren Leuten?«
Der andere Kundschafter lachte leise. »Ja, was denkt Ihr?«
»Ich hatte nicht angenommen, dass noch jemand außer Euch an Heinrichs Hof ist …«
»Der Mann hält sich nicht direkt am Hof des Königs auf. Aber der Kaiser sorgt dafür, dass er seine Leute dort hat, wo er sie benötigt. Ihr kennt sie so wenig wie sie Euch. Und ich wiederum kenne außer Euch nur noch diesen anderen Mann. Ihr wisst doch, wie es sich verhält – wenn einer von uns aufgespürt wird, soll er so wenig wie möglich verraten können …«
Natürlich wusste er es. Dafür hatte er schon oft genug in Friedrichs Diensten gestanden. Jeder der Kundschafter des Kaisers war weit gehend auf sich allein gestellt. Wenn sie entdeckt wurden, konnten sie mit keiner Hilfe rechnen. Plötzlich fragte sich Roger, ob dem anderen Mann, der hier in dem dunklen, kalten Gang zwischen den Schuppen bei ihm stand, der Dienst für Friedrich auch manchmal schwer wurde? Ob er sich nicht manchmal danach sehnte, irgendwo unbehelligt als Kaufmann oder Handwerker zu leben? Aber so rasch, wie Roger dieser Gedanke gekommen war, schob er ihn wieder beiseite. Es war unrecht von ihm, dies überhaupt in Erwägung zu ziehen. Und ehe er diesen vertrackten Auftrag erhalten und in dieses Land zurückgekehrt war, hatten ihn derartige Zweifel nie heimgesucht.
»Ich hoffe sehr, dass dieser Odilo der Mann ist, den wir suchen«, ergriff der andere Kundschafter wieder leise das Wort. »Sobald Ihr ihn gefunden habt, müsst Ihr ihn zu Friedrich bringen.« Er brach in ein fast lautloses Lachen aus. »Bei Gott, wenn ich mir vorstelle, dass der Kaiser einen angesehenen Mann in der Kathedrale von Palermo, im Angesicht einer großen Menge von Gläubigen, schwören lässt, die Wahrheit zu sagen. Und dann berichtet dieser Mann, wie er Zeuge bei einem Mord wurde, den ein Legat
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