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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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seinen Blick langsam über die Musikanten gleiten. Donata zuckte zusammen. Einen Moment lang erschien es Roger, als ob Enzio sie nachdenklich musterte. Doch sofort schenkte der Kardinal seine Aufmerksamkeit wieder dem König.
    Endlich hatten sie das Lied beendet. Mit schweißnassem Rücken reichte Roger Donata seinen Arm. Geldstücke fielen vor dem Podium nieder. Nachdem sie die Stufen hinuntergegangen waren, sammelten die Musiker sie hastig auf, Roger tat es ihnen nach.
    »Bückt Euch«, zischte er Donata zu. Sie gehorchte, hob eine der Münzen auf und reichte sie ihm. Einen Augenblick lang starrte er darauf nieder, ehe er sie in den Beutel schob, den er am Gürtel trug. In das Metall war der Kopf des Kaisers eingeprägt.
    Als sie den Saal verlassen hatten und auf den Hof hinaustraten, sog Roger dankbar die kalte Nachtluft ein.
    »Habt Ihr den Zeugen irgendwo gesehen?«, fragte er Donata leise.
    »Nein«, sie schüttelte den Kopf.
    Während sie inmitten der Musikanten den weiten Hof überquerten, nagte die Enttäuschung in ihm. Wie sollte es ihnen jetzt noch gelingen, den Mann ausfindig zu machen? Als sie in der Nähe des Tors angelangt waren, holte der Diener sie ein, der ihnen im Verlauf des Abends immer wieder den Platz zugewiesen hatte.
    »Wartet, die hohen Herren wünschen, dass Ihr das Geviert noch nicht verlasst«, stieß er atemlos hervor.
    »Wollen die Herren noch mehr Lieder hören?«, fragte Ludwig, der Vorsteher, verwundert.
    »Ich kann es Euch nicht sagen …«, der Diener zuckte die Schultern. »Sie haben mich nur wissen lassen, dass Ihr noch auf dem Hof bleiben und Euch zur Verfügung halten sollt.«
    »Was hat das zu bedeuten? Lasst uns gehen«, flüsterte Donata leise und drängend.
    »Das würde auffallen. Wir müssen bei den Spielleuten bleiben«, gab Roger ebenso leise zurück. Er versuchte, sich einzureden, dass die hohen Herren manchmal sonderbare Einfälle hatten. Dennoch beschlich ihn ein ungutes Gefühl und er wünschte sich, dass sie sich längst wieder auf dem Weg zu ihrer Unterkunft befunden hätten.
    Die Spielleute rückten zusammen. Anfangs redeten sie noch miteinander. Doch allmählich verstummten ihre Gespräche. Manche stampften in den Schnee und schlugen die Hände gegeneinander, um sich in der Kälte zu erwärmen, andere gingen auf dem Hof auf und ab. Elisas Gefährte hatte seinen Mantel um sie gelegt und sie standen eng beieinander. Während auch Roger und Donata langsam auf und ab schritten, blickte er immer wieder zum Nachthimmel empor. Vom schwarzen Firmament glitzerten die Sterne kalt herab. Unruhig beobachtete er, wie sie allmählich über den dunklen Dächern weiterwanderten.
    Als sich das Tor der Basilika endlich öffnete, ergoss sich ein gelber Lichtschein über den Schnee. Heinrich und sein Gefolge zogen heraus. Unter den Menschen, die den König umgaben, konnte Roger Enzios breitschultrige Gestalt erkennen. Andere Gäste schlossen sich an. Sie strömten auf das Tor und die umliegenden Gebäude zu.
    Einer der Musiker rieb seine Hände fest gegeneinander. »Was sollen wir hier jetzt noch warten?«, murrte er.
    »Ja, lasst uns gehen«, fielen andere ein.
    Ludwig schaute noch einmal über den Hof, der sich mehr und mehr leerte. Als er überzeugt war, dass sie wirklich nicht noch einmal zu einem Auftritt gerufen werden würden, gab er dem Drängen seiner Leute nach.
    »Ja, wir gehen!«
    Müde und durchgefroren setzte sich die Gruppe in Bewegung. Sie waren erst wenige Schritte weit gekommen, als Enzio ihnen in den Weg trat. Er hatte Léon, den Diener, und eine Hand voll seiner Soldaten bei sich.
    »Herr …« Der Vorsteher verbeugte sich diensteifrig.
    Doch der Kardinal beachtete ihn nicht. Er war stehen geblieben und deutete auf Donata. »Du da, komm her!«
    Nein, dachte Roger. Wie versteinert verharrte sie neben ihm. Enzio winkte sie abermals zu sich. Einer der Spielleute schob sie vorwärts. Sie ging langsam über den zertretenen Schnee, auf eine Art, als wäre sie nicht ganz bei sich. Ihren verletzten Fuß zog sie nach. Roger nahm wahr, dass Léon sie beobachtete. Enzio kann Donatas Furcht spüren, ging es ihm durch den Kopf. War es ihre Angst, die den Kardinal anzog, oder waren sie entdeckt worden?
    Er musste etwas tun, aber er wusste nicht, was, fühlte sich selbst wie gelähmt. Donata stand nun dicht vor Enzio. Er fasste nach ihr, bog ihren Kopf herum und küsste sie grob auf den Mund. Ihre Hand ruhte auf seinem samtenen Gewand, als wollte sie ihn wegschieben. Er packte

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