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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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die des Papstes. Enzio von Trient hatte getan, was er, Heinrich, sich gewünscht und durchzuführen doch nicht gewagt hatte – Gisbert zu töten.
    Heinrich erinnerte sich, wie ihm der Kardinal das erste Mal seinen Plan offenbart hatte. Während einer Jagdgesellschaft, an einem eisigen, sonnigen Tag, als sie am Rheinufer entlanggeritten waren. Enzio von Trient hatte ihn kaum merklich ein Stück von den übrigen Reitern weggelenkt. Der Kardinal begann das Gespräch leichthin. In einem Tonfall, als ob er irgendeine beliebige Begebenheit berichtete und nicht einen ungeheuren Plan offen legte. Einen Moment lang hatte er, Heinrich, geglaubt, dass sich Enzio einen Spaß erlaubte. Aber die kühle Leidenschaft, die das Gesicht des Mannes spiegelte, hatte ihn eines Besseren belehrt.
    Der Kaiserthron für Euch und der Stuhl Petri für mich … Der deutsche König war vor der Ungeheuerlichkeit dessen, was der Kardinal sagte, zurückgeschreckt, meinte, es nicht zu begreifen, und erfasste es doch sofort in seiner ganzen Bedeutung. Er konnte nach dem Thron und der Krone des Vaters fassen …, des Mannes, den die Menschen stupor mundi, das Staunen der Welt, nannten. Dessen überragender Geist und liebenswürdiges Wesen jeden faszinierten, der ihm begegnete. Dem es, obwohl er unbeaufsichtigt in den Gassen Palermos aufgewachsen war, gelungen war, sich eine umfassende Bildung anzueignen. Dessen Kenntnisse über die Aufzucht der Falken selbst die Gelehrten verblüffte und der es bisher stets vermocht hatte, das Glück auf seine Seite zu zwingen. Ja, selbst den Kreuzzug hatte er – trotz des Banns des Papstes – siegreich beendet. Die Vorstellung, dem Vater Krone und Thron streitig zu machen, hatte ihm den Atem verschlagen.
    Aber bin ich nicht selbst auch ein Staufer, der Spross eines alten und großen Geschlechts?, dachte Heinrich. Und war es nicht eine unerträgliche Demütigung, dass der Vater an ihm zweifelte und glaubte, er sei dem Herrscheramt nicht gewachsen? Würde sein Stern nicht endlich erstrahlen, wenn der des Vaters untergegangen war?
    Heinrich hielt die Hände tiefer über die glimmenden Kohlen, bis die Glut seine Haut fast versengte. Zwischen den Flammen glaubte er, die mit Edelsteinen besetzte Kaiserkrone erstehen zu sehen, die ein goldenes Kreuz schmückte. Dies war die Krone, die ihm zustand. Er musste es nur endlich wagen, nach ihr zu greifen. Denn gab es nicht Menschen, die in die Glut fassen konnten, ohne sich daran zu verbrennen? Binnen Monatsfrist würde er sich entscheiden.

D onata beugte sich über die Holzschüssel, in der eine dicke, fettige Lauchsuppe schwamm, die mit Fleischbrocken angereichert war, und begann, hastig zu essen. Sie war so ausgehungert, dass ihr bei den ersten Schlucken beinahe übel wurde. Wie immer, wenn sie unter Menschen war, hielt sie sich ein wenig abseits, saß ganz am Ende einer Holzbank in der Gaststube des Klosters Mayenfeld an der Mosel. Der Rauch des Holzfeuers, die Ausdünstungen ungewaschener Körper und der Dampf der Suppe, die auf dem gemauerten Herd vor sich hin köchelte, hingen schwer in dem niedrigen Raum. Trotz ihres Hungers beobachtete sie die Leute um sie herum genau. Sie suchte die Herbergen der Klöster nicht gerne auf. Wenn sie in dem nahen Dorf einen Schlafplatz gefunden hätte, wäre sie gewiss nicht hierher gekommen.
    Etwa zwei Dutzend Menschen hatten sich auf den Holzbänken niedergelassen, die meisten von ihnen in der Nähe des Feuers. In Reichweite des Kessels, der die Suppe enthielt, saß auch der Mönch, der für die Reisenden verantwortlich war. Ein schmächtiger Mann, der ein Pferdchen aus einem Holzstück schnitzte. Der Mönch war freundlich zu ihr gewesen, hatte ihr die Schale bis fast an den Rand gefüllt und noch nach einigen Fleischstücken gefischt, um sie hineinzutun.
    Aber vielleicht hat der Mönch auch nur damit gerechnet, dass er die Suppe an diesem Tag ohnehin nicht aufbrauchen würde, dachte Donata, während sie weiter unter gesenkten Lidern die anderen Gäste betrachtete. Wegen des eisigen Wetters waren nicht sehr viele Leute unterwegs. Nur solche, die dringende Geschäfte zu erledigen hatten, und da der Tag schon recht weit vorangeschritten war, würden wohl auch nicht mehr viele in die Herberge kommen.
    Einige Männer, die nicht weit entfernt von ihr hockten, waren Kaufleute, wie sie ihrem Gespräch entnahm. Sie hatten Geschäfte in den flandrischen Städten getätigt, waren jetzt auf dem Heimweg und stammten vom Mittel- oder Niederrhein.

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