Die Buchmalerin
Schreibstube dieses Klosters vor. Mein Name ist Berengar. Ähm … Ein Fürst hat einen Psalter bei uns in Auftrag gegeben. Die Arbeit muss bis Pfingsten abgeschlossen sein. Und nun … Einige unserer Schreiber sind erkrankt oder auf andere Weise verhindert. Also, falls unter euch ein Schreiber ist … Wir würden ihn angemessen bezahlen und verköstigen und er könnte während der nächsten Wochen im Kloster unterkommen.« Der Mönch sank ein wenig in sich zusammen, als wäre er froh, seine Rede beendet zu haben.
Noch während der Mönch sprach, hatten die Schreiber, die in der Nähe des Eingangs saßen, sich zugenickt und miteinander getuschelt. Nun standen sie eilig auf. Der Rothaarige deutete eine Verbeugung an.
»Herr, hier sind drei Schreiber, die nach Arbeit suchen. Wir sind weit herumgekommen, haben viele Fähigkeiten gesammelt und unsere Kenntnisse werden allgemein geschätzt. Wir sind in unterschiedlichen Schriften bewandert und …«
»Oh, das Kloster benötigt nur einen Schreiber«, unterbrach der Mönch den Rothaarigen nervös.
Der Wortführer lächelte. »Nun, so wählt den Besten von uns aus.«
Donata rang mit sich. Der katzengleiche Dämon flüsterte ihr zu, dass sie sich um die Stelle als Schreiber bemühen könnte. Sie hätte zu essen und einen warmen und trockenen Schlafplatz … Sie könnte sich wieder in einem Skriptorium aufhalten und sie würde Farben und Bilder sehen. Bilder auf Buchseiten. Sie hielt dagegen, dass es viel zu gefährlich war, wenn sie in einem Kloster als Schreiber arbeitete. Denn die Verbindungen unter den Klöstern waren weit verzweigt. Der Dämon redete leise weiter, dass sie nicht lange bleiben müsste. Nur ein paar Tage, bis sie die Mönche um einen kleinen Teil ihres Lohns bitten konnte. Außerdem hatte nie jemand aus diesem Kloster die Benediktinerinnen bei Bayeux aufgesucht. Zumindest nicht, solange sie dort aufgewachsen war und im Skriptorium gearbeitet hatte.
So deutlich, als läge sie vor ihr auf dem groben Herbergstisch, vermeinte Donata, die Initiale eines Psalters zu sehen, die sie einmal gemalt hatte. König David, der im Bogen eines Cs lehnte und in die Saiten einer Harfe griff. Sie hatte seinem Antlitz einen verträumten Ausdruck verliehen, so als ob er der Musik nachlauschte, und seinem Mantel eine ultramarinblaue Farbe gegeben. Für diese Farbwahl war sie getadelt worden. Denn dieses Blau war die Farbe der Gottesmutter. Aber sie hatte sich gerechtfertigt, dass die Königin der Farben sehr wohl dem Ahnen des Herrn und dem König unter den Dichtern zustehe. Und da die Farbe teuer war, hatten die Nonnen das Blatt in dem Psalter belassen.
Diese Erinnerung gab den Ausschlag. »Herr, ich bin auch ein Schreiber«, hörte sie sich sagen.
Die Männer blieben stehen und starrten sie an. Ein Grinsen zog über das Gesicht des Rothaarigen. »Ach, tatsächlich, Bürschlein? Bist du denn überhaupt schon im Stande, ein A von einem O zu unterscheiden?« Er und die anderen beiden Schreiber lachten.
Der Benediktiner betrachtete sie zweifelnd. »Junge, wer hat dir das Schreiben beigebracht?«
»Mein Vater war ein Priester«, Donata stockte nach diesem Eingeständnis. Sie tat dies immer, wenn sie Leuten eine Erklärung dafür geben musste, wie sie in der Kunst des Schreibens unterwiesen worden war. Dass Priester Kinder hatten, wurde von den Kirchenoberen schon seit langem missbilligt und gerade der jetzige Papst war in diesen Dingen sehr streng. Dennoch war es die unverfänglichste Begründung, die sie abgeben konnte.
Sie blickte mit niedergeschlagenen Lidern zu Boden, täuschte Verlegenheit vor, während sie weiterredete: »Mein Vater hat mich diese Kunst gelehrt. Er hat mich auch in Latein und Griechisch und in den Büchern der Schrift unterwiesen. Vor drei Jahren ist er gestorben.«
»Du bist wirklich noch sehr jung …«, sagte der Mönch zweifelnd.
»Herr, ich bin schon sechzehn Jahre alt.« In Wirklichkeit war Donata vier Jahre älter, aber sie wusste, dass ihr dies, wenn sie sich als Junge ausgab, niemand glauben würde.
»Sechzehn Jahre!«, rief einer der Schreiber, ein untersetzter Mann, der ein rundes Gesicht hatte, und streckte die Hand aus, um ihre Wange zu berühren. Sie wich ihm aus. »Sechzehn Jahre! Seht euch dieses Milchgesicht an! Junge, hat schon jemals ein Rasiermesser über deine Wangen gestrichen?«
Von allen unbemerkt, war der Mönch, der bisher neben dem Feuer gesessen und Donata mit einer großzügigen Portion Suppe bedacht hatte, zu der
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