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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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Ihre Geschäfte schienen gut zu gehen, denn ihre Kleidung bestand aus feinem, teurem Tuch.
    Ein älterer Mann aß schweigend und in sich gekehrt, als seien seine Gedanken völlig auf ein fernes Ziel ausgerichtet. Die Kalebasse und der breitkrempige Hut, die neben ihm auf der Bank lagen, wiesen ihn als Pilger auf dem Jakobsweg aus. Dass jemand mitten im Winter eine Pilgerreise nach Santiago de Compostella begann, war ungewöhnlich. Vielleicht hatte der Mann eine schwere Sünde begangen, für die er auf diese Weise Buße leisten wollte. Für einen Augenblick empfand Donata fast so etwas wie Neid. Ihr war dieser Ausweg verwehrt.
    Einige junge Männer, die einen südlichen Dialekt sprachen, waren Handwerker; Zimmerleute und Steinmetze, wie Donata aus den Werkzeugen schloss, die aus ihren Bündeln ragten. Drei andere junge Männer, die in der Nähe der Tür saßen, aber nicht so, dass der Luftzug sie treffen konnte, waren Schreiber. Donata war erschrocken, als sie dies ihrer lauten Rede entnommen hatte, und sie hatte sich noch einmal vergewissert, dass sie ihnen noch nie zuvor begegnet war. Ein fuchsgesichtiger Mann, der rötliches, lockiges Haar und einen drahtigen Körper hatte, führte das große Wort. Die anderen beiden bestätigten das, was er sagte, oder versuchten, ihn zu übertrumpfen, was ihnen aber nicht gelang. Eben brachen sie in schallendes Gelächter aus und der Mönch warf ihnen einen missbilligenden Blick zu. Vorhin schon hatte er sie ermahnt, als sie Spielkarten hervorgezogen hatten.
    Donata bemerkte, dass ihre Schale schon fast zur Hälfte geleert war, und zwang sich, langsamer zu essen. Sie besaß kaum noch Geld und wusste nicht, wann sie sich wieder eine solche Mahlzeit leisten konnte. Während der letzten Tage hatte sie nur einmal Glück gehabt. Nachdem sie vor dem Diener des Mörders geflohen war und sich blindlings einen Weg durch den Wald gebahnt hatte, war sie auf einen Weiler gestoßen. Die Leute hatten ihr etwas zu essen gegeben und sie in einer Scheune schlafen lassen. Von ihnen erfuhr sie, wie weit sie vom Weg nach Köln abgekommen und dass sie nur ein, zwei Tage Fußweg vom Rand der südlichen Eifel entfernt war. Da sie befürchtete, den Weg noch einmal zu verlieren, hatte sie sich entschlossen, nach Süden, bis zur Mosel, zu gehen. Dort, so hoffte sie, würde sie vielleicht ein Lastschiff oder ein Floß finden, auf dem sie bis nach Köln fahren konnte.
    Drei Tage war sie an dem gewundenen, von steilen Ufern begrenzten Fluss entlanggewandert. Doch in den Orten, durch die sie kam, hatte weder ein Schiff noch ein Floß am Ufer festgemacht. Arbeit für einen Schreiber hatte auch niemand. Am Morgen dieses Tages hatte sie das Gerücht gehört, dass in dem Dorf nahe dem Kloster ein Lastkahn ankere.
    Aber als sie an den kleinen natürlichen Hafen gelangt war, standen dort nur einige Ruderboote kieloben am Ufer und ein bäuerlich gekleideter, stämmiger Mann erneuerte die Sitzbank eines anderen Kahns. Da Donata nicht wollte, dass er auf sie aufmerksam wurde, entfernte sie sich rasch wieder. Doch ehe sie den Ort verließ, den Bäume und Strauchwerk in einem Halbrund umgaben, hatte sie in dem bläulich grün schimmernden Wasser – eine Farbe kalt wie das Grün des Malachits – kleine Eisstücke treiben sehen.
    Mit einem Rest des Brotstücks wischte Donata die Schale aus, wobei sie darauf achtete, dass ihr nichts von der Flüssigkeit und kein noch so winziger Fleisch- oder Gemüserest entging. Sie war kaum satt und wünschte sich, sich noch eine Schale Suppe leisten zu können. Aber sei es, dass sie ein Schiff finden würde, das sie mit nach Köln nahm, oder dass sie den Weg am Fluss zu Fuß zurücklegen musste – sie würde das wenige Geld, das sie noch besaß, dringend brauchen. Donata griff nach ihrem Bündel und wollte den Raum verlassen, denn sie hielt sich nie gern in der Gegenwart vieler Menschen auf.
    Doch bevor sie aufstehen konnte, betrat ein großer, dicklicher Mönch, dessen Hängebacken ihm das Aussehen eines traurigen Hundes verliehen, die Gaststube. Er ging auf den Benediktiner zu, der neben dem Feuer saß, und wechselte einige Worte mit ihm. Da Donata keine Aufmerksamkeit erregen wollte, blieb sie sitzen und beobachtete die Männer verstohlen.
    Schließlich trat der dickliche Mönch einige Schritte vor, vollführte mit den Armen eine Geste, als müsse er sich antreiben, um zu sprechen, und sagte: »Falls unter euch ein Schreiber ist, der keine Verpflichtungen hat … Ich stehe der

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