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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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zu schleichen und meine Säcke zu zerreißen?« Der Kienspan steckte jetzt in einer Halterung an der Bretterwand. Die Hände des Bauern griffen nach Roger und zerrten an dem groben Stoff, den er sich übergestreift hatte.
    Seine wunde Haut brannte. Die Gestalt des Bauern verschwand. An seine Stelle trat einer der Soldaten. Es durfte ihnen nicht gelingen, ihn wieder an dem Balken festzubinden …
    Mit aller Kraft rammte er dem Mann, der über ihn gebeugt stand, die Fäuste in den Leib. Der Mann ließ von ihm ab, krümmte sich. Roger zog sich hoch, wobei er sich an der Stallwand abstützte, und taumelte zu der geöffneten Tür. Ein sternklarer Himmel erstreckte sich dahinter.
    Roger hatte fast die Tür erreicht, als der Mann ihn von hinten packte und zu Boden riss. Sein Kopf schlug hart auf dem gestampften Lehmboden auf. Ihm wurde schwarz vor Augen. Hände gruben sich in seinen Hals, schnürten ihm die Luft ab. Das verzerrte Gesicht des Mannes war über ihm. Roger hörte jemanden röcheln. War er es, der röchelte? Wieder breitete sich Schwärze um ihn aus. Sie drohte, ihn in die Tiefe zu ziehen. Wenn er die Besinnung verlor, würden ihn Enzios Leute wieder in ihre Gewalt bekommen. Sie würden ihn festbinden und der Schmerz würde von neuem beginnen.
    Er wälzte sich zur Seite. Der Griff um seine Kehle lockerte sich ein wenig. Er tastete nach den Händen, die um seinen Hals lagen. Es gelang ihm, einen Daumen zu fassen und zurückzubiegen. Der Mann schrie, was Roger mit einer wilden Genugtuung erfüllte. Er verstärkte seinen Griff um den Finger. Als er brach, schrie der Mann noch einmal gellend und sein Körper wurde schlaff. Roger rollte ihn von sich und warf sich sofort über ihn. Sein Gegner bäumte sich auf.
    Der unruhige Schein des Kienspans an der Wand verschwamm vor Rogers Augen zu einem Wirbel aus roten und gelben Farben. Er ertastete einen Kopf, krallte seine Hände darum und schlug ihn auf den harten Boden, bis der Körper, der sich unter ihm wand, leblos wurde.
    Keuchend wälzte Roger sich herunter und ließ sich gegen die Wand des Stalles sinken. Sein Blick wurde wieder klarer. Vor ihm lag ein Mann in bäuerlicher Kleidung, dessen Brust sich schwach hob und senkte. Als Roger aufschaute, erkannte er die massigen Leiber von zwei Kühen im Hintergrund des Stalls. Irgendwo in der Nähe bellte ein Hund wie wild. Benommen fragte er sich, wo er sich befand und wie er hierher gekommen war? Die grobe Sackleinwand kratzte schmerzhaft über seine wunde Haut.
    Er ließ den Kopf nach vorne hängen. Erinnerungsfetzen tauchten in seinem Gedächtnis auf. Er war nackt im Schnee zu sich gekommen und durch die Kälte gelaufen. Die Fragen der Soldaten … Wo ist die Frau? Was hatte er ihnen geantwortet? Er konnte sich immer noch nicht besinnen. Ein Stöhnen schreckte ihn wieder auf. Sein Gegner bewegte sich.
    Roger stolperte nach draußen, durch die Umfriedung und auf das weite Feld, über dem die Sterne funkelten. In dem silbrigen Licht, das der Schnee verströmte, konnte er die Umrisse der sattelförmigen Hügelkuppen deutlich erkennen. Die Kälte schmerzte ihn nicht mehr, sondern füllte seine Glieder mit Taubheit. Während er sich über das Feld schleppte, in die Richtung, wo er die Höhlen vermutete, verwischten sich seine Erinnerungen wieder. Er hatte Donata eben verlassen. Er musste zu ihr zurückkehren, sie warnen und ihr beistehen, bevor Enzios Soldaten sie fanden.

    *

    Alfried, ein junger Mönch der Abtei Maria Laach, vergrub sich in seinen Mantel und seufzte leise. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätten sie während der Nacht irgendwo in einem Dorf oder einem Gehöft Unterschlupf gesucht. Aber nein, Berchthold, sein Begleiter, der vor ihm durch die eisige Dunkelheit ritt, wollte unbedingt so bald wie möglich in ihr Heimatkloster zurückkehren. Als wenn es einen großen Unterschied machte, ob sie dort nun mitten in der Nacht ankamen oder erst am nächsten Mittag, dachte Alfried. Und überhaupt waren die vergangenen Tage, während derer sie kreuz und quer durch die Gegend gezogen waren, wenig erfreulich gewesen. Bei Kälte und Schneefall stundenlang im Sattel zu sitzen war wirklich nicht angenehm.
    Es stand einem Mönch nicht an, einen älteren Bruder oder gar den Abt zu kritisieren, meldete sich sein Gewissen. Die Kälte, die in seine Glieder kroch, ließ ihn jedoch weiter murren. Wenn sie wenigstens einen sinnvollen Auftrag ausgeführt hätten. Aber nach einem Mann zu suchen, den sie vielleicht irgendwo hier

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