Die Buchmalerin
draußen in dieser eisigen Ödnis finden würden … Und über die Gründe, weshalb sie diesen Mann suchten, hatte sich Berchthold beharrlich ausgeschwiegen.
Von der anderen Seite des weiten Feldes, über das sie nun langsam ritten, drang Hundegebell zu ihnen herüber. Es übertönte das leise Knirschen, das die Pferdehufe und die Kufen des Schlittens – ihn zog Alfrieds Reittier – im Schnee verursachten. Der junge Mönch wandte den Kopf und glaubte, im diffusen Licht des Schnees die Hecke eines Gehöfts zu erkennen.
Dort liegen Menschen auf warmen Strohsäcken, dachte er sehnsüchtig. Der Wolfsmischling, den sie bei sich hatten, begann nun auch zu bellen und rannte über das Feld, in die Richtung, aus der sein Artgenosse zu hören war.
Alfrieds Begleiter stieß einen Pfiff aus. Doch der Hund scherte sich nicht darum, sondern blieb ein Stück von ihnen entfernt stehen und bellte weiter.
»Irgendetwas ist dort.« Berchthold wandte sich zu Alfried um.
»Wahrscheinlich hat der Hund den Kadaver eines Hasen entdeckt«, murmelte der, während er dem Älteren über das Feld folgte.
Plötzlich scheute Berchtholds Pferd. Doch der massige Mönch konnte sich im Sattel halten und sprang ab, nachdem er das Tier beruhigt hatte. Alfried tat es ihm nach. Etwas Großes, Dunkles lag neben dem Hund im Schnee. Ein Mann, wie der junge Mönch jetzt erkannte. Berchthold hatte sich schon niedergebeugt, legte dem Mann die Hand auf die Brust und tastete ihn ab. Der Körper schien reglos.
»Ist er noch am Leben?«, fragte Alfried zögernd und ein wenig ängstlich.
»Sein Herz schlägt noch. Aber sein Körper benötigt dringend Wärme.« Der ältere Mönch richtete sich auf.
»Ob das der Mann ist, den wir suchen?«
Berchthold schaute auf den Fremden hinab, dessen Gesicht in dem Zwielicht, das der Schnee verbreitete, grau und eingefallen wirkte. »Das mag sein oder auch nicht. Jedenfalls müssen wir uns beeilen und ihn zu unserem Kloster bringen, damit wir uns seiner annehmen können. Sonst stirbt er … Hilf mir, ihn zum Schlitten zu tragen.«
Gemeinsam hoben sie ihn hoch – wobei Alfried auffiel, dass der Mann nur mit einer Art Sack bekleidet war und, obwohl weder sehr groß noch dick, einen schweren, muskulösen Körper hatte. Nachdem sie ihn auf dem Schlitten niedergelegt und Decken um ihn gebreitet hatten, die sie festbanden, setzten sie ihren Weg durch die Nacht fort.
Alfried führte das Pferd, das den Schlitten zog, am Zügel und horchte nach dem Fremden. Einige Male glaubte er, den Mann, über das Knirschen des Schnees hinweg, leise stöhnen zu hören. Doch wenn er das Pferd anhielt und nach Berchthold rief und sie zu ihm eilten, lag er wieder still und bewegungslos. Sehr schnell kamen sie nicht voran. Als sie bei der Abtei anlangten, konnte Alfried am Stand der Sterne ablesen, dass die Morgendämmerung bald anbrechen würde. Gemeinsam mit dem Pförtner trugen sie den Bewusstlosen in eines der Gästezimmer. Nachdem sie ihn auf einen Strohsack gebettet hatten, befahl Berchthold dem jungen Mönch, er solle warme Steine aus der Küche holen. Während Alfried hinauseilte, streiften die beiden anderen Mönche dem Mann behutsam das sackartige Gewand ab.
Das Feuer in der Klosterküche brannte bereits, aber der große, gemauerte Raum mit der Gewölbedecke war leer. Die Mönche, die hier Dienst taten, weilten gemeinsam mit den anderen Benediktinern bei der Laudes. Alfried schob Steine an die Flammen heran. Während er darauf wartete, dass die Steine sich aufheizten, spürte er dankbar, wie die Wärme auch in seinen ausgekühlten Leib kroch. Schließlich packte er die Steine mithilfe einer Zange und legte sie in einen großen Korb, den er mit einem Sack bedeckte.
Als er wieder das Gästezimmer betrat, beherrschte der herbe Geruch von Kräutern den Raum. Ein Talglicht brannte auf einem Halter an der Wand und beschien den Mann, der nackt auf den Leinentüchern lag, und Berchthold, der dessen Haut mit einer Paste bestrich. Während Alfried näher trat, sog er unwillkürlich scharf die Luft ein. Denn der Oberkörper, die Arme und die Schenkel des Fremden waren über und über mit Brandwunden und Schnitten bedeckt.
»Es sieht nicht gut für ihn aus«, meinte Berchthold leise. »Die Folter und die Kälte haben ihm schlimm zugesetzt.«
»Wer tut so etwas?«
Der ältere Mönch warf Alfried einen raschen Blick zu. »Ich bin mir nicht sicher. Aber ich fürchte, wir haben tatsächlich den gefunden, den wir suchen.« Er wies den Jüngeren
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