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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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sie vor dem Hoftor anlangte, orientierte sie sich rasch. Sie lief nach links, eine schmale Gasse hinunter, bog dann in eine andere ein. Menschen versperrten deren Ende – sie hatte den richtigen Weg gewählt.
    Donata drängte sich zwischen die Gaffer, wobei sie darauf achtete, dass ihr der Schleier nicht in den Nacken rutschte. Nur zu gut erinnerte sie sich daran, wie Roger sie vor dem Beginenhaus entdeckt hatte. Schließlich fand sie einen Platz hinter einem beleibten Mann, der nach Kampfer roch, und einem anderen, der ein Schafwollvlies über seinem Kittel trug, und spähte an deren Schultern vorbei.
    Soldaten auf Pferden passierten die Menge. Das Rot ihrer Mäntel glühte in der Sonne und die silbernen Beschläge ihres Zaumzeugs und ihrer Waffen verströmten einen harten Glanz. Unwillkürlich duckte Donata sich. Abscheu und Angst erfüllten sie. Sie forschte nach Roger und hoffte und fürchtete zugleich, ihn zu entdecken. Doch die Soldaten führten ihn nicht mit sich. Ihnen folgte der Tross der Bediensteten. Männer, die auf weniger kostbaren Pferden ritten und dunkle Mäntel trugen, bildeten seinen Anfang. Vielleicht gaben sich die Soldaten nicht mit einem wehrlosen Gefangenen ab, versuchte Donata, sich einzureden. Doch so sehr sie auch hoffte – Reihe um Reihe an Bediensteten zog vorbei und Roger war nicht unter ihnen. Hoch beladene, zweirädrige Karren und einige große Wagen bildeten das Ende des Trosses.
    Die Menge zerstreute sich langsam. Donata wich in die Gasse zurück, durch die sie hergelaufen war. Im Schatten, unter einem Treppenaufgang, lehnte sie sich gegen eine Hauswand und sah auf den schmutzigen, zertretenen Schnee hinab. Trotz allem hatte sie immer noch einen Funken Hoffnung gehabt, Roger möge noch am Leben sein. Nun erst glaubte sie wirklich, dass er tot war.
    Bilder stiegen vor ihr auf. Der Morgen in der dämmrigen Köhlerhütte, als sie und Roger sich am Bett der Kranken im tiefen, plötzlichen Einverständnis anschauten. Der verschneite, sonnige Weinberg, in den Roger ihr nachgegangen war, um ihr zu sagen, dass er mit ihr käme. Ihr Gefühl von Freude. Seine Stimme, die ihr zuredete, den Silberstift weiter über das Leder zu führen. Das Abbild des Thymians, das unter ihren Händen erwuchs. Und die Nacht, in der sie beieinander gelegen hatten. Sein Gesicht, vom niedrigen Feuer beschienen, über ihr.
    »Der Kardinal von Trient …« Der Name schreckte sie auf. Hastig zog sie sich tiefer in den Schatten zurück und vergewisserte sich, dass der Schleier noch immer ihr Gesicht bedeckte. Doch nur die beiden Männer, hinter denen sie eben gestanden hatte, liefen an ihr vorbei. Der, dessen Mantel den Geruch von Kampfer verströmte, nickte seinem Begleiter zu. »Ja, der Kardinal ist ein edler Herr. Ich habe gehört, er soll den Hospitälern der Stadt und den Armen eine große Geldsumme gespendet haben.« Seine Miene drückte Ehrfurcht und Bewunderung aus.
    Ohne es zu wissen, starrte Donata ihn an. Als habe er ihren Blick gespürt, wandte der Mann sich zu ihr um. Hastig senkte sie den Kopf. Sie musste sich in Acht nehmen. Hatte Roger ihr nicht einige Male gesagt, dass ihre Augen beunruhigend waren?, schoss es ihr durch den Kopf. Sie zwang sich, ruhig und gemessen auf die Gasse zu treten, so wie es jede beliebige Frau tun würde. Die beiden Männer beachteten sie nicht weiter, sondern setzten ihr Gespräch fort.
    Ihre Worte hallten in Donata nach, während sie langsam in Richtung des Abteigutes schritt. Der Kardinal, ein edler Mann … Wieder empfand sie Hass, trotz ihrer Angst. Nein, was auch immer mit ihr geschehen würde, sie würde gegen Enzio von Trient aussagen. Sie würde sich nicht noch einmal von ihrer Furcht brechen lassen.

    *

    Kurze Zeit später passierte Donata das Hoftor des Abteigutes. Die Pferde waren mittlerweile in die Ställe geführt worden. Einer der Bediensteten streute Sand in einem weiten Bogen über den schlammigen, von den Hufen der Tiere zertretenen Grund. Eine Taube, die ihre Flügel ungelenk bewegte, flatterte in der vergeblichen Suche nach Futter über die Erde. Geistesabwesend betrachtete Donata den Vogel, während sie den Hof überquerte. In dem Fachwerkhaus, das auf der gegenüberliegenden Seite des Gevierts stand und das der kleine Turm krönte, öffnete sich eine Tür. Der Mönch, der sie vorhin zur Kammer hinaufgeführt hatte, eilte auf sie zu. Als er sie erreicht hatte, fasste er sie am Arm.
    »Wo bist du gewesen?«, fragte er leise und vorwurfsvoll.
    Sie

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