Die Buchmalerin
schreckte auf. »Bringt mich zu Eurem Abt!«
»Aber du kannst nicht einfach zu ihm gehen!«, protestierte der Mönch. »Er wird nach dir rufen lassen.«
»Bringt mich zu ihm. Wenn Ihr es nicht tut, gehe ich allein.«
Der Benediktiner holte tief Atem und schien etwas erwidern zu wollen. Doch Donata blickte ihn weiter an. Resignierend schüttelte er den Kopf.
Hugo, der Abt, hielt sich in einem großen Raum auf, dessen niedrige Decke dunkle Balken stützten. Geöltes Leder, das im Licht bernsteinfarben wirkte, verschloss die Fensteröffnungen. Als Donata und der Mönch den Raum betraten, blickte er unwillig von den Pergamentbogen hoch, die vor ihm auf dem Tisch lagen.
»Ehrwürdiger Vater, die Frau will unbedingt mit Euch sprechen. Ich habe sie nicht davon abhalten können«, brachte der Mönch rasch vor, ehe er sich zurückzog.
»Was soll das?«, fragte der Abt, während sich eine ärgerliche Falte auf seiner Stirn bildete. »Warum kannst du nicht warten?«
»Der Kardinal von Trient ist mit seinem Tross in die Stadt eingezogen.«
»Ja, einer der Brüder hat es mir bereits mitgeteilt.«
»Ihr müsst mich zur Äbtissin bringen.« Donatas Stimme klang leise, aber entschieden. Und obwohl sie sich wieder darauf besonnen zu haben schien, mit wem sie sprach, und den Blick gesenkt hielt, war ihre Haltung nicht demütig. Erneut stellte der Abt fest, dass sie ihn irritierte.
»Ich werde einen Boten zum erzbischöflichen Palast schicken und Enzio von Trient und Heinrich von Müllenark bitten, mich zu empfangen. Was sie auch sicher und in Kürze tun werden. Ich will versuchen, ein Gespräch mit meiner Großtante zu erwirken. Sie muss entscheiden, was mit dir geschehen soll.«
»Der Kardinal wird nicht erlauben, dass Ihr mit der Äbtissin sprecht.« Donata schaute ihn an.
Während Abt Hugo sich von dem hochlehnigen Stuhl erhob, auf dem er gesessen hatte, und mit raschen Schritten in dem Raum auf und ab ging, fragte er sich, was in aller Welt ihn dazu veranlasste, sich mit dieser Frau zu beraten – einer Frau von höchst zweifelhafter Herkunft, die er von Rechts wegen der Inquisition hätte übergeben müssen.
»Und, was soll ich deiner Meinung nach tun?«
»Ihr müsst einen Weg finden, mich zur Äbtissin zu bringen«, wiederholte Donata, ohne die Augen von ihm abzuwenden.
*
Am Abend machte sich Abt Hugo in Begleitung zweier Mönche auf den Weg zum erzbischöflichen Palast. Einige Stunden zuvor hatte er einen Boten mit der Nachricht dorthin geschickt, dass er den Kardinal von Trient und Heinrich von Müllenark aufsuchen wolle. Der Bote hatte die Antwort überbracht, die beiden Herren seien erfreut darüber, dass er sich in der Stadt aufhalte, und schätzten sich glücklich, ihn am Abend bei sich zu sehen.
Als der Abt den erzbischöflichen Palast erreichte, hatte sich der Himmel über der Stadt schon eingedunkelt. Die Tage wurden zwar allmählich länger, aber die Kälte war immer noch eisig und von Frühling und Wärme selbst hier in Köln nichts zu spüren, stellte er fest. Gewiss, alles lag in Gottes Hand. Aber er ertappte sich bei dem Wunsch, dass das Jahr voranschreiten, der Schnee endlich schmelzen und die Erde frisches Grün hervorbringen möge.
Ein Bediensteter geleitete ihn und die anderen beiden Mönche in das große Gebäude. Im oberen Stockwerk des Palastes gelangten sie in einen kleinen Vorraum, in dessen Wände zu beiden Seiten steinerne Bänke eingelassen waren. Hinter einem ledernen Vorhang waren die Stimmen des Kardinals und des Erzbischofs zu hören. Der Abt bat seine Begleiter, auf ihn zu warten. Ruhig ließen sich die Mönche auf den Bänken nieder.
Der Bedienstete verschwand hinter dem Vorhang. Gleich darauf traten Enzio von Trient und der Erzbischof nach draußen. Nachdem der Kardinal den Abt mit dem Bruderkuss begrüßt hatte, sagte er herzlich: »Das ist eine schöne Überraschung, Euch so unvermutet in der Stadt zu treffen, Abt. Ich selbst kann Euch Eure Gastfreundschaft leider nicht vergelten. Aber ich bin überzeugt, der Erzbischof wird gern an meine Stelle treten.«
»Gewiss.« Heinrich von Müllenark neigte zustimmend den Kopf. Auch er begrüßte den Abt mit dem Bruderkuss. Danach suchten sie den Raum hinter dem Vorhang auf – ein kleiner Raum mit gewölbter Decke, dessen Wände kostbare Teppiche schmückten. Eine schnabelförmige Öllampe hing an einer Kette über einem Tisch. Ihr Schein spiegelte sich in der Einlegearbeit aus Emaille, die in die Tischplatte eingelassen war, und
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