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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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der Tür hörte, erhob sie sich rasch. Draußen wartete der ältere Mönch auf sie, der sie bereits am Nachmittag zum Abt geführt hatte. Als sie über die Schwelle des großen Raums trat, saß der Abt wieder in seinem hochlehnigen Stuhl. Eine brennende Wachskerze, die auf einem hohen Ständer befestigt war, beschien sein glatt rasiertes, jugendliches Gesicht. Er wies auf einen Stuhl, der ihm gegenüberstand, und bedeutete Donata, dass sie sich hinsetzen sollte.
    Nachdem sie seiner Aufforderung verwundert gefolgt war, berichtete er ihr von seinem Gespräch mit Enzio. »Der Gottesdienst, den ich morgen Abend zusammen mit dem Kardinal und dem Erzbischof halte, steht also auch den Bewohnern der Stadt offen«, endete Hugo. »Auf diese Weise könntest du versuchen, in die Kirche zu gelangen. Es wäre eine Möglichkeit, allerdings keine ungefährliche …«
    »Der Kardinal von Trient wird vorsichtig sein.«
    »Er wird es nicht wagen, den Frieden der Kirche zu brechen und bewaffnete Soldaten hineinzuschicken. Aber er wird ganz sicher wachsam sein«, bestätigte der Abt. »Und noch etwas …«
    Er erhob sich und ging mit raschen Schritten in dem Raum auf und ab, wobei sich die Kutte um seinen schmalen Körper bauschte. »Heute, am frühen Abend, kam ein Bote aus Maria Laach hier an. Er ist einen Tag nach uns im Kloster losgeritten. Odilo wurde ermordet. Ein Ketzer soll es getan haben. Der Kardinal fasste ihn. Ich fürchte, dieser Mann ist Friedrichs Kundschafter, mit dem du zusammen nach dem Zeugen des Mordes gesucht hast …«
    Donata sah still vor sich hin. Schließlich hob sie den Kopf. »Ich werde die Messe besuchen.«
    »Wenn dich Enzios Leute fassen, kann ich dich nicht schützen«, antwortete der Abt beinahe sanft.
    »Ich will es tun.«
    »Du beabsichtigst, den Kardinal des Mordes zu beschuldigen – während des Prozesses, den er gegen die Beginen führen wird –, und du hoffst, dass meine Großtante für dich bürgen wird, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Sicher, je höher und geachteter die Stellung des Bürgen ist, desto glaubwürdiger wird auch der Zeuge.« Der Abt seufzte. »Doch ich fürchte, es müsste der Papst selbst sein, der für dich eintritt. Immerhin giltst du als rückfällige Ketzerin. Meine Großtante ist zwar adelig und eine Äbtissin, aber sie tritt gegen einen Kardinal und Legaten an. Ganz abgesehen davon, dass Enzio auch sie der Ketzerei beschuldigt. Wer um alles in der Welt sollte dir also glauben, dass der Kardinal Gisbert umgebracht hat – und es nicht die Beginen und der Begarde taten? Das Volk etwa, oder der Erzbischof?« Hugo schüttelte den Kopf.
    »Ich will Eure Großtante darum bitten, dass sie für mich eintritt«, wiederholte Donata leise, aber fest. »Es ist ihre Sache, ob sie es tun wird oder nicht.«
    Eine Weile betrachtete der Abt sie forschend, ehe er langsam nickte. »Ja, es ist ihre Entscheidung.« Er besann sich. »Du musst dich nach dem Gottesdienst in der Kirche verbergen und dann von dort aus versuchen, in das Kloster zu gelangen. Gibt es irgendetwas, irgendein Zeichen, das ich meiner Großtante während der Messe zukommen lassen kann? Es wäre gut, wenn sie wüsste, dass du in der Kirche bist. Damit sie dir helfen kann.«
    »An welche Art von Zeichen denkt Ihr?«
    »Irgendetwas, das sie mit dir verbindet. Schließlich hast du einige Tage in ihrem Kloster verbracht.«
    »Sie weiß, dass ich Buchmalerin war …«
    »Ein Pinsel oder ein Silberstift ist nicht gerade unauffällig.«
    Donata blickte zu der brennenden Kerze hinüber. Das Innere der Flamme war von einem tiefen, leuchtenden Blau. »Ein kleiner Lapislazuli … Ich glaube, wenn die Äbtissin einen Lapislazuli fände, würde sie verstehen, dass ich in der Kirche bin …«
    »Nicht gerade ein billiges Zeichen«, bemerkte der Abt trocken. »Aber wenigstens müsste es brauchbar sein …«
    »Könnt Ihr mir beschreiben, wie das Innere der Kirche aussieht?«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich meine damit, ob Ihr mir sagen oder zeigen könnt, wo sich Säulen oder Seitenaltäre befinden. Orte, an denen ich mich verbergen kann.« Donata bedauerte es jetzt, dass sie während der Zeit, die sie im Kloster zugebracht hatte, nie in der Kirche gewesen war.
    »Nun …«, erwiderte der Abt ratlos.
    »Habt Ihr einen Griffel oder ein Wachstäfelchen zur Hand?«
    »Dort …« Der Abt deutete zu einem Schreibpult, das im dämmrigen Hintergrund des Raums stand.
    Nachdem Donata Wachstäfelchen und Griffel geholt hatte, legte sie beides vor ihn hin.

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