Die Buchmalerin
er dankbar, dass sich die Brandwunden wenigstens nicht entzündet hatten. Die Haut darüber war dünn und tiefrot und der Mann würde ein Leben lang gezeichnet sein. Sie mochten seinen Geist quälen. Aber seinen Körper bedrohten sie jetzt nicht mehr unmittelbar. Der schlimmste Feind des Kranken war das Fieber, das seit einigen Tagen in ihm tobte. Und Berchthold fürchtete, dass er diesen Gegner möglicherweise nicht bezwingen konnte.
Jedenfalls, das sagte ihm die Erfahrung, die er im jahrzehntelangen Umgang mit Kranken erworben hatte, würde sich das Schicksal des Mannes im Laufe dieses Tages oder der darauf folgenden Nacht entscheiden. Nachdem der Mönch die Decke wieder über den Fremden gebreitet hatte, ließ er sich auf den Schemel sinken, der neben dem Lager stand.
Ein Talglicht brannte in einer Halterung an der Wand, denn der Laden vor der Fensteröffnung war – der Kälte wegen – geschlossen. Mittlerweile musste es früher Nachmittag sein. Das Mittagsgebet war schon lange vorüber. Berchthold war während der letzten Tage nicht viel zum Schlafen gekommen, nun schloss er die Lider und verfiel in einen halbwachen Zustand. Doch sobald die Tücher gewechselt werden mussten oder der Kranke ihn sonst brauchte, würde er sofort wieder bei sich sein.
Seine Gedanken wanderten zu dem Morgen, als er und Alfried den Fremden zum Kloster gebracht, seine Brandwunden versorgt und seinem Körper mithilfe der heißen Steine die Lebenswärme wieder zurückgegeben hatten. Danach war der Gefolterte in eine tiefe Ohnmacht gefallen. Aus dieser war er einen Tag später erwacht und fast gleichzeitig wuchs das Fieber. Der Körper mochte damit auf die schweren Wunden reagieren, die ihm zugefügt worden waren. Aber vielleicht war es auch der Geist, der sich dem, was geschehen war, noch nicht stellen wollte.
Dann, unvermittelt, war das Fieber in Raserei umgeschlagen. Der Mann schrie und sprach wirr, warf sich wild auf dem Strohsack hin und her und schlug um sich. Da er dabei auch an den Brandwunden kratzte und die Gefahr bestand, dass er die Haut aufriss, hatte Berchthold erwogen, ihn festzubinden. Gemeinsam mit Alfried und einigen anderen Mönchen war es gelungen, den Fremden niederzuringen. Doch ein derartiges Entsetzen war auf dem Gesicht des Kranken erschienen, dass Berchthold davon Abstand genommen hatte, ihn zu fesseln. Als sich der Mann etwas beruhigt hatte, war es möglich gewesen, ihm Mohnsaft einzuflößen. Der Schlaf, der ihn anschließend überkam, war nicht friedlich. Aber zumindest unterblieb die Raserei. Immer wenn sich erneut Anzeichen davon zeigten, setzte Berchthold ihm einen Becher mit dem Saft an die Lippen.
Einmal hatte der Mann den Geruch des Mohns tief eingesogen und seine Augen waren für einen Moment klar geworden, so als würde er begreifen, was er trinken sollte. Und ehe Berchthold reagieren konnte, stieß der Kranke den Becher zur Seite und kroch von dem Strohsack, wobei er etwas vor sich hin murmelte. Seine Stimme hatte einen drängenden, ängstlichen Klang, als versuchte er, sich an etwas zu erinnern. Berchthold hatte befürchtet, dass wieder einer der Anfälle begänne. Doch schon nach wenigen Schritten war der Mann zusammengebrochen und hatte erneut die Besinnung verloren. Seitdem waren die Anfälle von Raserei ausgeblieben. Aber der Geist des Mannes war immer noch nicht in den Körper zurückgekehrt und das Fieber hatte nicht nachgelassen.
Als ein leises Stöhnen von dem Strohsack her ertönte, war der Mönch sofort wach und erhob sich hastig. Die Augen des Fremden waren geschlossen. Doch seine verzerrten Gesichtszüge verrieten, dass ihm etwas große Pein bereitete. Während der Benediktiner die trockenen Tücher entfernte und kühle, feuchte auf den geschundenen Leib legte, bemerkte er bekümmert, dass das Fieber wieder gestiegen war.
*
In ihrer Kammer wartete Donata darauf, dass es Abend wurde. Sie sah zu, wie das Licht über Wände und Boden wanderte und sich veränderte, von einem hellen, weißlichen Ton über ein tiefes Gelb bis hin zu einem matten Grau. Manchmal wünschte sie sich, die Zeit des Gottesdienstes wäre endlich gekommen, manchmal fürchtete sie nichts mehr als das.
Eine Weile nach Anbruch der Dunkelheit hörte sie, wie der Abt das Haus verließ. Wenig später pochte einer der Mönche, die sie zur Kirche begleiten sollten, an die Tür der Kammer. Sie griff nach ihrem Bündel und hängte es sich um, zog ihren Mantel darüber und vergewisserte sich noch einmal, dass ihr der
Weitere Kostenlose Bücher