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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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werden in diesem Fall unter Euren Fehlern zu leiden haben. Ihr wisst, es sind nur noch wenige Tage, bis der Inquisitionsprozess gegen die Beginen beginnt …« Enzio erhob sich.
    »Ich habe Euch verstanden«, antwortete sie kalt.
    Nachdem der Kardinal den Kapitelsaal verlassen hatte, blieb die Äbtissin noch eine Weile dort. Langsam und nachdenklich schritt sie zwischen den Säulen auf und ab, deren Kapitelle mit Pflanzenornamenten und Gesichtern geschmückt waren. Ihr Großneffe war in der Stadt …
    Sie vergegenwärtigte sich seine große, schlanke Gestalt und das längliche Gesicht mit den hellen Augen. Er war noch jung und für ihren Geschmack manchmal zu sehr darauf bedacht, den Regeln und Geboten der Kirche zu folgen. Dennoch hielt sie ihn für klug und umsichtig. Wenn er sich dafür eingesetzt hatte, dass die Messe den Bewohnern der Stadt offen stand, bezweckte er damit etwas. Sie würde während des Gottesdienstes wachsam sein. Auf ihre Nonnen konnte sie sich unbedingt verlassen. Abgesehen von Schwester Gunhild … Ihre frühere Scheiberin würde jeden noch so kleinen Verdacht sofort an den Kardinal melden.
    Die Äbtissin ging mit sich zurate, dann hatte sie sich entschieden.
    Wenig später betrat sie die Klosterapotheke und ließ ihren Blick suchend über die Regale schweifen, auf denen Kräuterbüschel lagen und Tongefäße unterschiedlicher Größe und Form standen. Schließlich hatte sie gefunden, weswegen sie gekommen war. Sie nahm eine kleine Flasche, gab etwas von dem Inhalt in eine noch kleinere und verließ die Apotheke wieder.

    *

    Ida Sterzin knetete in der niedrigen, verrußten Küche ihres Hauses einen Brotteig – einen Teig aus hellem Mehl, der für den Sonntag gedacht war und den sie der Köchin nicht anvertrauen wollte –, als sie im Hof Männerstimmen hörte. Sie schienen in einer fremden Sprache zu reden. Jörg, er muss nach Hause gekommen sein, dachte sie erleichtert. Schon am Vortag hatte sie erfahren, dass der Tross des Kardinals in die Stadt zurückgekehrt war, und seitdem ungeduldig auf ihren Sohn gewartet. Hastig begann sie, sich das klebrige Gemenge aus Mehl, Hefe und Wasser von den Händen und Unterarmen zu reiben.
    Sie war damit noch nicht fertig, als die Tür, die vom Hof in die Küche führte, aufflog und Katharina, ihre jüngste Tochter, hereinstürmte.
    »Mutter …!« Die Sonne stand im Rücken des Mädchens. Deshalb konnte sie sein Gesicht nicht erkennen. Aber etwas in seiner Stimme erschreckte sie.
    »Mutter! Jörg …«
    Ida Sterzin kümmerte sich nicht länger um die Teigreste, sondern stürzte nach draußen. Es darf nicht sein, ging es ihr durch den Kopf.
    Sonnenlicht überflutete den Hof. Wie durch einen Schleier nahm die Seidenstickerin wahr, was sich auf ihm abspielte. Die beiden Soldaten in den fremdländischen, prächtigen Uniformen, die von ihren Pferden abgesprungen waren … Ein drittes Pferd, das keinen Sattel trug … Ein Körper, in eine Decke eingehüllt, lag im Schnee. Noch immer weigerte sie sich zu begreifen. Jörg … Eine Erinnerung suchte sie heim, wie sie ihn als Säugling, in eine Decke gebunden, am Leib getragen hatte. Der säuerliche Kleinkindgeruch, der von ihm ausging. Die Bewegungen seiner kleinen Glieder, die sich ihrem Körper mitgeteilt hatten. Er konnte nicht tot vor ihr liegen …
    Während sie sich neben ihn in den Schnee kniete, trat einer der Soldaten zu ihr.
    »Er … gestürzt … Hat sich das Genick gebrochen. Der Schreiber auch … Ein Unfall mit den Pferden … Der Kardinal von Trient bedauert …«, brachte der Mann stockend und mit fremdem Akzent hervor.
    Sie hörte nicht richtig hin, sondern zog die Decke weg. Die dunklen Locken ihres Sohnes hoben sich scharf von seiner wächsernen Gesichtsfarbe ab. Die Lider waren geschlossen und eingefallen. Unter ihrer Berührung musste er erwachen …
    Behutsam strich sie ihm über die Wange. Eine Spur von Mehl blieb daran hängen – wie ein leichter Flaum.

    *

    Berchthold nahm Leinentücher aus einem Bottich, der kaltes Wasser enthielt. Nachdem er sie ausgewrungen hatte, trat er an das Strohlager, auf dem der Fremde lag. Einen Augenblick lauschte er auf das schwere Atmen des Mannes, ehe er die dünne Decke zurückschlug. Die Tücher, die den Leib und die Beine des Kranken bedeckten, waren schon wieder trocken und heiß, obwohl er sie erst vor kurzem erneuert hatte.
    Der Mönch entfernte sie rasch und ersetzte sie durch die, die er eben angefeuchtet hatte. Während er dies tat, registrierte

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