Die Buchmalerin
Körper drückten sich gegen sie. Obwohl sie wusste, dass es ihr nicht viel nutzen würde, umklammerte sie das Messer, das sie in ihrem Bündel bei sich trug. Die beiden Männer aus Enzios Gefolge suchten sich einen Platz in der Nähe der Benediktiner. Der Diener jedoch näherte sich erneut dem Chorgitter. Sie misstrauten also den Mönchen … Donata empfand Genugtuung darüber, dass es ihr gelungen war, die Leute des Kardinals fürs Erste zu täuschen, aber auch Angst vor ihrer Wachsamkeit. Während der Messe werden sie es nicht wagen, etwas zu unternehmen, ging es ihr durch den Kopf. Diese kurze Frist blieb ihr zumindest noch.
Mit einem dumpfen Knarren schloss sich der Türflügel. Donata wandte den Kopf und sah zu, wie das Geviert des Nachthimmels im Eingang schmaler wurde und schließlich ganz verschwand. Das Füßescharren und leise Murmeln im Kirchenschiff verstummte. Schritte und das Rascheln von Gewändern drangen von der Apsis herüber. Die Nonnen zogen in die Kirche ein und gingen zu ihren Plätzen im Chorgestühl. Kurz darauf ertönten erneut Schritte. Nicht so zahlreich und schwerer, und über den weitläufigen Kirchenraum hinweg war nun auch das leise, kratzende Geräusch zu hören, das golddurchwirkte Stoffe verursachten.
Während Hugo, der Abt, gemeinsam mit dem Kardinal und dem Kölner Erzbischof in die Apsis einzog, die ein Kranz aus schlanken, runden Säulen umgab, schaute er rasch hinüber zum Chorgestühl. Dort saß seine Großtante bereits inmitten der Nonnen. Ihre Blicke trafen sich und er vermeinte, ein rasches Aufleuchten in ihren Augen zu sehen. Wie zufällig berührte er den breiten Ärmelaufschlag seines Untergewandes, wo er den Splitter eines Lapislazulis verborgen hatte.
Wenn der Abt später einmal an diesen Gottesdienst zurückdachte, den er gemeinsam mit dem Kardinal und Heinrich von Müllenark in der Klosterkirche gefeiert hatte, erschien ihm diese Messe immer als höchst verstörend. Ungeachtet dessen, dass die Gnade in jedem noch so unwürdigen Zelebranten wirksam werden konnte. Aber es blieb immer dieser bestürzende Gegensatz – der Ablauf des Ritus im kerzenerhellten Rund der Apsis. Die lateinischen Worte der Schrift, die vom Heil des Menschen kündeten. Und Enzio, der zwischen ihm und Heinrich von Müllenark stand und – als der Ranghöchste unter ihnen – den Gottesdienst feierte. Der Kardinal wirkte in sich versunken, so als sei sein ganzes Wesen dem heiligen Geschehen hingegeben – dabei war er nichts anderes als ein gemeiner Mörder.
Der Abt achtete auf Enzios samtige, wohlklingende Stimme, sprach selbst die Worte, die ihm die Liturgie vorschrieb und lauschte Heinrich von Müllenark. Dann und wann zögerte dieser, wenn er die lateinischen Sätze aufsagte, und schien sich die Worte des Ritus erst ins Gedächtnis rufen zu müssen. Während der Abt einen Teil seiner Aufmerksamkeit dem Fortgang der Messe widmete, betete er gleichzeitig darum, dass all dies ein gutes Ende nehmen möge.
Das Opfer, die Wandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi, begann nun und der Kardinal sprach die Worte des Abendmahls. Für Momente konnte der Abt es wieder kaum glauben, dass der Mann, der mit entrückter Miene neben ihm kniete, ein Mörder war und beabsichtigte, den Stellvertreter Christi auf Erden zu stürzen.
Nachdem Enzio das Brot gebrochen hatte, reichte er dem Erzbischof und dem Abt davon. Als sie schließlich auch von dem gewandelten Wein getrunken hatten, ergriff Enzio die Hostienschale.
»Nehmt Ihr den Kelch«, raunte er dem Abt zu. Dieser gehorchte und Heinrich von Müllenark griff nach einem bestickten Tuch, das auf dem Altar lag.
Die Nonnen erhoben sich vom Chorgestühl. Während die drei Priester langsam auf die Frauen zuschritten, tastete der Abt im Ärmel seines Untergewands nach dem Splitter des Halbedelsteins. Doch erschrocken stellte er fest, dass sich der Stein in den Stofffalten verfangen hatte und er ihn nicht greifen konnte.
Sobald Enzio bei den Benediktinerinnen angelangt war, kniete sich die Äbtissin nieder, wobei eine der Nonnen sie stützte. Der Blick der Klostervorsteherin war auf den Boden gerichtet. Während sie die Hostie aus den Händen des Kardinals empfing, bemerkte ihr Großneffe, dass ein leichtes Zittern durch ihren Körper lief. Noch immer hatte er den Lapislazuli nicht gefunden. Nun stand er selbst vor ihr, während der Kardinal zu seiner Linken und Heinrich von Müllenark, der das Tuch in den Händen hielt, zu seiner Rechten
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