Die Buchmalerin
an seinem Lederwams abrutschte und in seinen Oberarm glitt. Er selbst hackte mit einem kurzen Schwert nach dem Arm des Mannes, der mit ihm niedergestürzt war. Eine im Licht gleißende Waffe stach nach ihm. In den Soldaten verkrallt rollte er sich zur Seite. Verschwommen registrierte er wütende Schreie und schemenhafte Körper, die gegeneinander kämpften. Sein Gegner ließ die Waffe fallen – Blut rann an seinem Arm hinab. Dann spürte der Abt, wie sich die Hände des Soldaten um seinen Hals schlossen und ihn unerbittlich würgten.
Der Benediktiner rang nach Atem, während er verzweifelt versuchte, sein kurzes Schwert in den Leib des Mannes zu stoßen, doch es glitt an dessen Kettenhemd ab. Ihm wurde schwarz vor Augen. Doch plötzlich war sein Hals wieder frei. Als er die Augen aufschlug, sah er, dass drei Männer der Herkenraths den Soldaten von ihm weggezerrt hatten und festhielten. Keuchend richtete er sich auf.
Um ihn herum wogte der Kampf. Auch die übrigen Soldaten des Kardinals waren mittlerweile, aufgeschreckt durch den Lärm, herbeigeeilt. Einige Verwundete oder auch Tote lagen am Boden. Zwei von Enzios Männern waren darunter. Einer der Mönche, ein noch junger Mann mit Namen Winfried, wand sich am Boden. Seine Kutte war rot verfärbt. Der Abt eilte zu ihm, kniete sich neben ihn und legte ihm den Arm um die Schulter. Entsetzt fragte er sich, ob es recht gewesen war, dass er die Männer seines Klosters – Männer, für die er Gott gegenüber verantwortlich war – dieser Gefahr ausgesetzt hatte?
In diesem Moment hörte er einen der Soldaten etwas schreien. Ein anderer löste sich aus dem Haufen und lief in Richtung des Doms davon. Es durfte ihm nicht gelingen, den Kardinal zu warnen! Der Abt raffte sich auf. Während er dem Soldaten hinterherrannte, bemerkte er, dass Karl Herkenrath ihm folgte. Plötzlich geriet der Soldat auf dem aufgeweichten Untergrund ins Rutschen. Der Zunftvorsteher hatte ihn zuerst eingeholt. Doch ehe er mit seinem Messer ausholen konnte, war es dem Soldaten gelungen, das Gleichgewicht zurückzugewinnen und herumzuwirbeln. Der Abt sah ein kurzes Aufblitzen von Metall, bevor Karl Herkenrath zurücktaumelte und stürzte. Ohne zu überlegen, sprang Hugo vorwärts. Er traf den Soldaten mit dem Schwert am Oberschenkel und sah beinahe verwundert, wie nun auch dieser schwankte, vollends das Gleichgewicht verlor und zu Boden sank.
*
Fast besinnungslos vor Schmerzen und Angst nahm Luitgard wahr, wie Soldaten sie einen Gang entlangzerrten. Eine Tür öffnete sich. Sonnenlicht schien ihr ins Gesicht und blendete sie. Die Luft, die über ihre Wangen strich, erschien ihr sehr warm. Aber warum spürte sie dann noch Schnee unter den Füßen?
Allmählich wurde ihr Geist klarer und sie erkannte, dass die Soldaten sie über den Hof des erzbischöflichen Palastes schleppten. Der Gerichtstag war gekommen … Wieder stieg eine Welle von Angst in ihr auf.
Als sie den Platz vor dem Dom erreichten, hatte sich dort bereits eine große Menschenmenge versammelt. Wütende Schmährufe wurden laut. Verzerrte, fratzenhafte Gesichter voller Zorn und Spott starrten ihr entgegen. Luitgard senkte den Kopf und zuckte zusammen, als Unrat sie traf, den jemand nach ihr geworfen hatte. Gelächter brandete auf. Nein, dachte sie, nein …
Die Soldaten stießen sie ein hölzernes Podest hinauf. Die übrigen Frauen aus dem Haus in der Stolkgasse und Alkuin kauerten dort schon auf einer groben Bank. Nahe bei ihnen befand sich eine Art Gestell aus Holzbalken. Benommen fragte sich die Vorsteherin der Beginen, wozu dies dienen mochte.
Plötzlich schaute Alkuin auf. Für einen Moment bemerkte sie in seinen Augen die gleiche Scham wie neulich, als sie sich im Kellergang des erzbischöflichen Palastes begegnet waren. Sofort schlug er die Augen nieder. Verzweifelt und voller Furcht forschte Luitgard in den Mienen der Frauen. Alle jedoch wichen ihrem Blick aus. Nur Lioba, deren grobe, große Gestalt schmaler geworden war und deren tiefschwarze Brauen sich grau verfärbt hatten, nickte ihr zu.
Als die Soldaten sie auf die Bank zwangen, glaubte Luitgard, die Besinnung zu verlieren. Mit beiden Händen klammerte sie sich an dem Holz fest, um nicht nach vorn zu stürzen. Das Geschrei der Menge erschien ihr nun weiter entfernt. Eingehüllt in einen Kokon aus Schmerzen, dämmerte sie vor sich hin und vergaß für Augenblicke, wo sie sich befand.
Der Lärm der Menge wurde leiser, verstummte schließlich ganz. Mühsam schaute sie
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