Die Buchmalerin
uns Seine Gnade und Weisheit erwiesen und dafür Sorge getragen, dass die Mörder rasch ausfindig gemacht werden konnten.«
»Ja, Gottes Ratschlüsse sind weise«, bestätigte der Kardinal. »Gott wird auch etwas damit bezweckt haben, dass jene Frau, Donata, nach der die Inquisition fast vier Jahre lang vergebens forschte, ausgerechnet in diesen Wochen wieder in Erscheinung trat. Und dass sie bei den Beginen in der Stolkgasse Unterschlupf suchte. Den Mann, mit dem sie zuletzt unterwegs war, konnten wir ergreifen. Und ich hoffe, dass es uns auch bald gelingt, sie zu fassen.«
»Dies hoffe ich auch«, der Dominikanermönch Bérard seufzte. »Diese Frau hat wieder einmal bestätigt, dass aus einem verdorbenen Baum nur schlechte Frucht hervorgehen kann. Ein Kind, bei Albigensern aufgewachsen und von den Kreuzfahrern zu Benediktinerinnen gebracht, damit seine Seele doch noch gerettet würde … Und wie hat sie es den Nonnen vergolten, die sich um sie bemüht und in den Dingen des Glaubens unterwiesen und ihr sogar Lesen und Schreiben und die Kunst der Buchmalerei beigebracht haben?«
»Ihr habt damals den Inquisitionsprozess gegen sie geleitet. Was genau ist geschehen?«
Bérard runzelte die Stirn. »Die Nonnen haben ihr nie wirklich getraut. Zu Recht … Denn sie war verstockt und eigensinnig, und auch wenn sie schnell lernte und in den Glaubensdingen Fortschritte machte, schien sie doch nie mit dem Herzen dabei zu sein. Das Einzige, was sie wirklich mit Leidenschaft und Hingabe erfüllte, war die Buchmalerei. Doch darin war sie eitel und nie wirklich fromm. Um mir ein besseres Urteil über sie bilden zu können, habe ich mir ihre Malereien angesehen. In gewisser Weise waren sie, nun …, gottlos …«
Der Kardinal hob die Augenbrauen. »Wie meint Ihr das?«
Voller Abscheu schüttelte der Dominikaner den Kopf. »Am meisten sind mir die Blätter eines Herbariums im Gedächtnis geblieben. Bilder also, die der Heilkunst dienen und von denen man nicht annehmen sollte, dass sie schlecht sein könnten. Aber diesen Pflanzen war etwas Unheimliches zu Eigen. Sie wirkten, als ob sie aus dem Blatt hervorwüchsen und man ihre Blätter und Blüten berühren könne …«
»Das ist tatsächlich merkwürdig …« Für einen Moment erinnerte sich Enzio an das weiß geschminkte Gesicht der mageren Frau und an die seltsamen Augen, die voller Angst gewesen waren. Gleichzeitig sah er den Ausschnitt eines antiken Wandgemäldes vor sich, das er vor einiger Zeit betrachtet hatte. Gräser und Blumen, die ebenfalls echt und berührbar gewirkt hatten. Eine Kunst, die verloren gegangen war. Nun, dachte er amüsiert, er konnte verstehen, was den Mönch an den Bildern des Herbariums beunruhigt hatte. Dinge, die aus sich selbst zu leben schienen und nicht der Deutung durch die Kirche bedurften …
»Ihr habt sie mit einer schweren Strafe belegt?«
»Ich hätte es getan, ja. Denn zu Beginn des Verhörs leugnete sie frech, irgendetwas mit Albigensern zu tun zu haben. Geschweige denn, dass sie ihr Versteck preisgegeben hätte. Erst als die Henkersknechte mit Zangen an ihren Fingern rissen, begann sie zu reden. Wenn es allein nach mir gegangen wäre, hätte ich sie zumindest zu einer mehrjährigen Kerkerstrafe verurteilt. Aber die beiden anderen Priester, die mit mir über sie zu Gericht saßen, wollten Milde walten lassen und stimmten mich schließlich um. So ließen wir sie mit einer Auspeitschung und der Buße, einige Jahre lang das Schandkreuz zu tragen, davonkommen. Ihr wisst, dass sie diese Buße nicht allzu lange auf sich genommen hat und stattdessen geflohen ist …«
»Und zurzeit noch flüchtig ist«, ergänzte Enzio seufzend. »Leider scheint sich das Böse gegenseitig anzuziehen und deshalb ist es kein Wunder, dass die Beginen ausgerechnet dieser Frau Obdach gewährten. Aus diesem Grund möchte ich Euch bitten, dass Ihr an dem Inquisitionsprozess teilnehmt und als Zeuge aussagt.«
»Ich sehe dies als Auftrag Gottes an«, entgegnete der Dominikaner grimmig. »Und ich bete, dass es Euch gelingt, diese Frau zu finden, und sie endlich die Strafe bekommt, die sie wirklich verdient.«
*
Die Tage bis zum Prozess verbrachte Donata in einer abgelegenen Kammer des Klosters, von der aus sie, falls Enzios Soldaten in das Gebäude eindringen sollten, rasch in die weitläufigen Keller entkommen konnte. Anfangs lauschte sie ständig auf die Geräusche, die zu ihr drangen, und schreckte bei jedem lauten, ungewohnten Ton zusammen. Doch mit der
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