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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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dass ihre Töchter oder jemand vom Gesinde es bemerkten.
    Draußen hatte schon die Dämmerung eingesetzt und auf den kalten, verschneiten Gassen waren nicht mehr viele Menschen unterwegs. Als sie, am Ende der Rheingasse, den Durchgang im Wall passierte, rief ihr einer der Wächter zu, dass das Tor bald geschlossen werde. Sie müsse sich beeilen, wenn sie noch rechtzeitig in die Stadt zurückkehren wolle. Ida Sterzin beachtete ihn nicht. Sie setzte ihren Weg fort und schlug einen Pfad ein, der zwischen der Stadtmauer und dem Fluss entlangführte. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass sie weit genug entfernt vom Tor war und niemand sich in ihrer Nähe aufhielt, schritt sie auf das Ufer zu. Das Wasser des Flusses hatte die Farbe des dunklen Abendhimmels angenommen. Während es schwarz an ihr vorbeiströmte, graute ihr vor seiner Kälte. Dennoch lief sie weiter.
    Bereits nach wenigen Schritten in den eisigen Fluten breitete sich Taubheit in ihrem Körper aus. Sie ging langsam, aber stetig voran, bis die Strömung sie erfasste und mit sich riss.

A m Morgen des Gerichtstages sammelte Abt Hugo im Haus der Benediktiner seine Mönche um sich. Nachdem er ein Gebet gesprochen und Gott um seinen Segen angefleht hatte, damit alles ein gutes Ende nehme, griffen die Mönche zu ihren Waffen – Schwerter, Messer und Äxte – und verbargen sie, so gut es ging, in den Falten ihrer Kutten. Unter den Ordensgewändern trugen sie Wämse aus Leder, die sie zum Schutz gegen Wegelagerer auch schon bei ihrem Ritt nach Köln getragen hatten.
    Anschließend verließen sie das Haus und schlugen den Weg in Richtung des Klosters Maria im Kapitol ein. Obwohl es zu dieser frühen Stunde zwischen den Häusern noch schattig war, war die Luft mild und der Schnee auf dem Grund der Gassen matschig und nass. Über Nacht ist das Wetter umgeschlagen, dachte der Abt. Ob dies ein gutes Zeichen war? Er schaute hinüber zu den dicken Mauern des Doms. Jenseits einiger niedriger Dachreihen ragten sie vor einem strahlend blauen Himmel auf. Dort, auf dem Platz vor der alten Kirche, versammelte sich nun das Inquisitionsgericht.
    Die Gassen, durch die sie schritten, waren wie ausgestorben. Die meisten Bewohner der Stadt hatten sich wohl schon zu dem Prozess eingefunden. Wieder betete der Abt darum, dass ihr Plan gelingen möge.
    In der Nähe des Klosters trafen sie, wie sie es verabredet hatten, mit den Männern aus dem Haus der Familie Herkenrath zusammen. Der Abt und Karl Herkenrath, dessen Gesicht und Gestalt in den letzten Wochen noch hagerer geworden waren, berieten sich rasch. Sie vereinbarten, dass die Mönche allein auf die Soldaten zugehen und den ersten Angriff führen sollten. Dann, im Moment der Überraschung, würden die übrigen Männer dazustoßen. Schweigend legten sie die restliche kurze Wegstrecke zurück. Ehe sie sich in der Nähe des Klosterfriedhofs trennten, legte Karl Herkenrath die Hand auf den Arm des Abtes.
    »Gott sei mit uns«, murmelte er.
    »Ja, das sei Er«, entgegnete der Abt. Er winkte die Mönche zu sich. Alles in allem waren sie sieben Benediktiner, dazu gut zwei Dutzend Männer aus dem Haushalt der Herkenraths … Der alte Zunftvorsteher hatte zuvor ausgespäht, dass vier Soldaten den Eingang zum Friedhof bewachten. Dazu hielten sich noch weitere vier vor der Klosterpforte auf. Zahlenmäßig waren sie den Soldaten weit überlegen. Aber ob sie es mit acht gut ausgerüsteten, kampferprobten Männern aufnehmen konnten? Nein, seufzte Hugo im Stillen, während er und die Mönche ihren Weg fortsetzten, wir werden Gottes Hilfe wirklich benötigen.
    Nun hatten sie den kleinen Platz erreicht, von dem aus das Tor zum Friedhof und zur Klosterkirche führte. Die Sonne stand im Osten, hinter dem kleeblattförmigen Chor der Kirche. Während der Abt an der Spitze der Mönche auf die Soldaten zuging, spürte er die Wärme der Strahlen auf seinem Gesicht. Gleichzeitig hörte er Schmelzwasser leise gurgeln.
    Als sie nur noch wenige Schritte von den Soldaten entfernt waren, trat ihnen einer der Männer entgegen. Wachsam, aber nicht angriffslustig. Die Sonne spiegelte sich in seinem Kettenhemd. Der Abt ging weiter, während er den Mönchen das verabredete Zeichen gab. Als er vorschnellte und sich dem Soldaten entgegenwarf, sah er das Erstaunen auf dessen Gesicht. Ihre Körper prallten gegeneinander und sie fielen zu Boden.
    Der Benediktiner hörte einen der Soldaten etwas in der Sprache des Südens rufen. Gleichzeitig spürte er, wie ein Messer

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