Die Buchmalerin
fast noch, waren erst vor kurzem in das Haus gezogen. Sie halfen in der Küche und tuschelten und kicherten häufig, bis Lioba sie mürrisch zum Schweigen brachte.
Das Haus in der Stolkgasse war, wie Donata erlebte, ein geschäftiges Haus. Die Beginen speisten Bettler. Verwandte der Frauen brachten Fleisch oder Gemüse oder wollten einfach einen Schwatz halten. Kranke kamen, die von Bilhildis einen Rat oder eine Arznei wünschten. Häufig baten Menschen um Pflege für Angehörige oder um die Totenwache. Luitgard beteiligte sich daran. Sie entstammte einer reichen alten Kölner Bürgerfamilie und war in einem Benediktinerinnenkloster in der Stadt erzogen worden – was Donata wunderte, denn normalerweise befassten sich die Benediktinerinnen nicht mit Bürgertöchtern. Luitgard konnte lesen und schreiben und hatte sich als Witwe entschlossen, eine Begine zu werden. Auch Hadwig, die ein längliches, blasses Gesicht hatte, entstammte einer alten, angesehenen Familie und war in der Lage, zu lesen.
Gertrud, Agnes, Margaretha und Ida, die anderen Frauen, die ebenfalls häufig außer Haus unterwegs waren, um Totenwache zu halten oder Kranke zu pflegen, kamen dagegen aus Töpfer- und Leinenweberfamilien, Handwerke, die keinen guten Ruf besaßen. Agnes, eine hübsche Braunhaarige, die nicht viel älter als Donata und Bilhildis war, neigte zur Schwärmerei und Askese, wofür Donata sie verachtete. Gertrud und Ida, beide um die dreißig Jahre alt, hatten dagegen freundliche Wesen und verrichteten ihren Dienst gelassen. Das Gleiche galt für die zehn Jahre jüngere Margarethe.
Etwa eine Woche, nachdem Donata zum ersten Mal den Verschlag unter dem Dach verlassen hatte, saß sie wieder in der Küche neben der Feuerstelle und spann ungefärbte Wolle. Das Mittagessen war noch nicht lange vorüber. Sie fühlte sich satt und ein wenig müde. Während sie die Spindel drehte, ließ sie ihren Blick durch den niedrigen, rußgeschwärzten Raum schweifen. Hildegund und Irmengard, die beiden jüngsten Frauen, wuschen das Geschirr in einem hölzernen Bottich ab. Sie redeten leise über Dinge, die sich in der Stadt zutrugen, und darüber, welche Frauen in ihrem Alter demnächst heiraten würden. Dann und wann senkten sie die Stimmen und kicherten, achteten jedoch darauf, dass sie Lioba nicht störten.
Die Köchin hockte auf einem Schemel und rupfte mit weit ausholenden Bewegungen ein Huhn. Ein anderes, das bereits die Federn verloren hatte, lag hinter ihr auf einem groben Holztisch. Es war dürr und seine Haut bläulich verfärbt und vorhin, als Donata an dem Tisch vorbeigehinkt war, hatte sie bemerkt, dass es streng roch. Flüchtig dachte sie daran, dass die anderen Frauen sich gelegentlich hinter Liobas Rücken darüber beschwerten, dass die Köchin gar zu sparsam sei, manchmal schlechte Nahrung einkaufe und nicht gut koche. Nun, ihr war dies völlig gleichgültig. Das Essen bei den Benediktinerinnen war zwar weitaus besser gewesen, wie sie sich erinnerte. Aber nach den vergangenen vier Jahren, in denen sie wenig oder manchmal einige Tage lang gar nichts zu essen gehabt hatte, war ihr nur wichtig, dass sie satt wurde.
Im angrenzenden Vorraum öffnete jemand die Haustür. Kalte Luft drang in die Küche, denn der lederne Vorhang, der sonst die Türöffnung bedeckte, wurde zurückgezogen. Der Mann, der nun hereintrat, hatte ein kantiges, wettergegerbtes Gesicht und grüne funkelnde Augen. Sein Körper unter dem ärmlichen Mantel wirkte kräftig und gedrungen. Donata glaubte nicht, dass sie ihm jemals zuvor begegnet war, dennoch duckte sie sich instinktiv.
»Alkuin …« Liobas grimmige Miene hellte sich ein wenig auf. »Seid Ihr schon lange in der Stadt?«
»Nein, erst seit heute«, er begrüßte auch Hildegund und Irmengard, als würde er sie kennen, und nickte Donata zu. »Ist Luitgard im Haus? Ich würde gerne wieder einmal mit ihr reden. Über die Dinge, die unseren Glauben und unser Leben betreffen …«
»Ich denke, sie würde sich auch freuen, Euch zu sehen. Aber sie ist bei einem Kranken. Vor dem Abend kommt sie jedoch sicher zurück. Seid Ihr hungrig? Wollt Ihr etwas essen?«
»Gerne …« Ein Lächeln zog über sein Gesicht. »Während der letzten Wochen waren die Menschen mit ihren Gaben nicht besonders freigiebig.«
»Die Kälte ist zu streng …« Trotz ihres massigen Körpers erhob sich Lioba überraschend behände. Aus einem eisernen Topf, der auf einem Dreifuß über der Glut stand, schöpfte sie Kohlsuppe in eine
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