Die Buchmalerin
an die Bauern. »Vorausgesetzt natürlich, die Hausherrin erlaubt es.« Er drehte sich zu der rundlichen Frau um. Seit er den Arm des Spielmannes aufgeschnitten hatte, enthielt sie sich jeglichen Kommentars und rückte nun Töpfe auf der Feuerstelle zurecht und verteilte die Glut gleichmäßig mit einem eisernen Haken.
»Meinetwegen kann er heute dort liegen bleiben«, entgegnete sie brummig.
»Gut, dann fasst ihn an den Beinen und unter den Schultern. Ja, gut so …« Roger überzeugte sich, dass der Transport der Wunde nicht schadete und die Männer den Kranken vorsichtig auf das Bett legten. Danach schickte er sich an, seine Gerätschaften zusammenzuräumen, doch die junge Frau trat zu ihm. »Ich danke Euch.«
Roger vollführte eine linkische Handbewegung und erwiderte barsch: »Sorgt dafür, dass Euer Gefährte einige Tage lang an einem warmen Ort bleibt, ausreichend, aber nicht schwer zu essen bekommt und sich schont. Und tränkt heute und morgen die Tücher, sobald sie trocken sind, mit Essig, damit das Gift aus dem Arm gezogen wird. Dann wird Euer Mann in einer Woche wieder auf den Beinen sein. Ich bleibe noch bis zum Abend in der Schenke. Bevor ich gehe, sehe ich nach ihm.«
Die Frau schenkte ihm ein rasches Lächeln, ehe sie zum Bett ging, wo sich der Spielmann nun leise stöhnend regte. Roger sah ihr kurz nach, ehe er die Wirtin fragte: »Habt Ihr eine Schüssel oder einen Eimer und heißes Wasser, damit ich das Messer säubern kann?«
»Nehmt den Eimer, der neben dem Feuer steht, und heißes Wasser findet Ihr darin«, sie deutete auf einen eisernen Topf, der am Rand der Glut stand.
Während Roger mit dem Kranken beschäftigt gewesen war, hatte er seine Müdigkeit vergessen. Doch nun, als er das Messer in dem heißen Wasser säuberte, überfiel sie ihn wieder mit aller Macht. Als er seinen Blick durch den Raum wandern ließ, erschien ihm das Licht noch dämmriger. Nun, eine kurze Zeit wenigstens würde er versuchen zu schlafen. Sein Blick blieb an der jungen Frau hängen, die den Kopf des Mannes in ihren Schoß gebettet hatte und leise und zärtlich auf ihn einredete. Die rechte Hand des Spielmannes wanderte unsicher tastend über ihren Leib. »Elisa …«, stammelte er. Eine Innigkeit ging von den beiden aus, die Roger berührte und, wie er sich eingestand, mit Neid erfüllte.
Mit einem Anflug von Spott dachte er an sein Haus in Salerno und an Anna, seine Magd, die er ab und zu in sein Bett holte, wenn ihm danach war. Sie war ihm sicher nicht treu, falls sie überhaupt während seiner Abwesenheit einen Gedanken an ihn verschwendete. Und für den Fall, dass sie einen großzügigeren Herrn oder besseren Liebhaber fand, würde er sie bei seiner Rückkehr nicht mehr in seinem Haus antreffen. Es gibt andere Mägde, versuchte er, dies abzutun. Er würde keine Schwierigkeiten damit haben, eine zu finden, die ihm zusagte. Schließlich zahlte er einen guten Lohn, nahm keine Frau gegen ihren Willen zu sich ins Bett und behandelte sie rücksichtsvoller als die meisten anderen Dienstherren.
»Ich gebe es ja zu … Ich habe Euch nicht geglaubt, aber Ihr beherrscht Eure Kunst.« Die Stimme der Bäuerin riss ihn aus seinen Gedanken.
»Was meint Ihr?« Roger benötigte einen Moment, um zu begreifen, was sie gesagt hatte. Er zwang sich, seiner Rolle zu entsprechen, und fuhr mit einem Lächeln fort: »Nun, dann zweifelt Ihr jetzt hoffentlich auch meine weiten Reisen nicht mehr an und, dass ich an vielen berühmten Orten studiert habe.«
»Vielleicht, auch wenn es mir immer noch so vorkommt, als ob Ihr aus der Gegend von Mayen stammt.« Sie betrachtete ihn nachdenklich. »Wenn Ihr tatsächlich weit herumgekommen seid, dann habt Ihr vielleicht auch von der Frau gehört, die sich als Junge verkleidet, dann und wann als Schreiber ihr Geld verdient und eine Ketzerin und Zauberin ist.«
»Ja, ich habe von ihr gehört. Sie soll die Scheune eines Klosters an der Mosel in Brand gesteckt haben«, entgegnete Roger gleichmütig und wischte das Messer sorgfältig mit einem sauberen Tuch ab. In den Dörfern, durch die er seit jener Nacht gekommen war, hatte er immer wieder einmal erfahren, dass nach der Frau gesucht wurde. Es hatte ihn gewundert, dass sie schreiben konnte. Aber hauptsächlich hatte er sich bei diesen Gelegenheiten selbst verwünscht. Eine als Junge verkleidete Frau, die zudem eine Ketzerin und Zauberin sein sollte … Er hätte wahrhaftig kaum einen Menschen finden können, dem zu helfen gefährlicher
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