Die Buchmalerin
Holzschale und reichte sie Alkuin. Donata beugte sich hastig über ihre Spindel. Also ein wandernder Begarde, dachte sie. Einer der Männer, die predigend und bettelnd durch das Land zogen.
»… wie steht es bei Euch Frauen in der Stadt? Habt Ihr Schwierigkeiten?«, hörte sie den Begarden fragen. Unwillkürlich horchte Donata auf.
»Was meint Ihr damit?« Lioba ließ ihre kräftigen Arme sinken und hielt inne. Verdutzt sah sie Alkuin unter ihren dunklen Brauen an.
Er hatte die Holzschale zurückgeschoben und seinen Löffel daneben gelegt. »Es gibt keinerlei Gerede, dass Ihr irgendwelchen Irrlehren anhängt? Keinen Streit mit den Priestern?«
»Nein …« Lioba fasste wieder in das Gefieder des Huhns und warf eine Hand voll Federn auf den Boden.
»Aber …« Hildegund, die mittlerweile zusammen mit Irmengard bei dem Begarden am Tisch saß und Rüben schälte, öffnete den Mund. »Was Bilhildis betrifft …«
Donata krampfte ihre Finger in das Wollvlies. Sie hatte gewusst, dass es gefährlich war, Gott zu schauen. Auf eine andere Weise von ihm zu reden, als es die Kirche wünschte.
»Sei still! Es ist nicht gut, darüber zu sprechen«, fuhr Lioba die junge Begine an. »Und überhaupt solltet du und Irmengard eure Arbeit tun und euch nicht um Dinge kümmern, die euch nichts angehen!«
Die beiden jungen Frauen senkten betreten die Köpfe.
»Nun, ich denke, es nutzt nichts, darüber zu schweigen«, sagte Alkuin bedächtig. »Ebenso wie es nichts nutzt, vor einem drohenden Sturm einfach die Hände in den Schoß zu legen … Die Zeiten sind nicht unbedingt gut für uns.«
Hildegund warf ihm einen dankbaren Blick zu und blinzelte rasch zu der Köchin hinüber, die mit finsterer Miene auf ihrem Schemel hockte.
Doch es war Irmengard, die es wagte, schüchtern zu fragen: »Weshalb sind die Zeiten nicht gut …?«
Lioba ließ ein drohendes Schnauben hören.
Donata beugte sich tiefer über ihre Arbeit und hoffte und fürchtete zugleich, dass das Gespräch weiterging.
Alkuin wiegte den Kopf. »Die Inquisition wird strenger. Und es ist zu befürchten, dass sie mit dem Unkraut auch den Weizen ausreißt.«
»Luitgard hat uns von einem Inquisitor namens Gisbert erzählt, einem Dominikaner«, warf die Köchin grollend ein. »Aber er war bisher immer nur im Süden des Reiches unterwegs. Er ist noch nie in unsere Gegend gekommen.«
Gisbert, der Dominikaner … Donata starrte auf den Faden, der zerrissen in ihrer Hand lag. In Bauernstuben und Werkstätten hatte sie oft über ihn reden hören und über die Gnadenlosigkeit, mit der er sein Amt erfüllte. Dann und wann hatte er sie in ihren Albträumen heimgesucht. Sie hatte es nie gewagt, sich einer Gegend auch nur zu nähern, in der er sich aufhielt. Wenn sie ihm damals, vor vier Jahren, in die Hände gefallen wäre – und nicht einem milderen Inquisitor –, wäre sie kaum mit der Folter und dem Schandkreuz davongekommen. Sie mochte sich nicht vorstellen, was er jetzt mit ihr tun würde.
»Es ist zu hoffen, dass Gisbert der Stadt auch künftig fern bleibt«, bemerkte der Begarde trocken.
Donata entspannte sich ein wenig und wollte ihre Arbeit wieder aufnehmen. Doch Lioba rief ihr zu: »Donata, kannst du mir mit den Hühnern helfen? Und ihr beiden«, sie wandte sich Hildegund und Irmengard zu. »Beeilt euch endlich mit den Rüben, damit ihr noch vor dem Abendgebet damit fertig werdet.«
Donata schrak zusammen und forschte in dem Gesicht der Köchin, ob sich in ihren Worten irgendein Hintersinn verbarg. Doch Liobas Miene zeigte nur Ungeduld. Donata nickte und hinkte langsam zu dem Tisch, auf dem bereits das eine gerupfte und abgesengte Huhn lag. Eine Schale, die Essig enthielt, stand daneben.
»Reib es mit dem Essig ab!«, befahl die Köchin.
»Aber nicht Gisbert allein sucht nach Ketzern. Bevor ich hierher gekommen bin, habe ich eine Zeit lang in Orten an der Mosel gepredigt«, ließ sich Alkuins ruhige Stimme wieder vernehmen.
Donata, die ihre Hände in die scharf riechende Flüssigkeit getaucht hatte, stockte in ihrer Bewegung. Sie musste sich überwinden, die Finger auf die bläulich verfärbte, großporige Haut des Huhns zu legen und langsam darüber zu reiben.
»Ein Legat des Papstes hat sich dort aufgehalten. Auch ihm scheint es sehr ernst mit der Reinheit des Glaubens zu sein. Denn er hat nach einer einzelnen Frau suchen lassen, einer Ketzerin. Enzio von Trient ist sein Name … Die Frau soll durch Zauberei eine Scheune in Brand gesteckt haben. Was es auch
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