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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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drehte sich wieder weg und sagte halblaut mehr zu sich selbst: »Nicht gründlich genug gewalkt …«
    »Onkel …«
    »Ja, ich bin beunruhigt«, entgegnete Karl Herkenrath heftig. »Und es macht es nicht besser, dass ich dir dafür keinen wirklichen Grund nennen kann. Es ist vieles und nichts. Die Schulden, die der Erzbischof wegen seines Krieges gegen den Herzog von Limburg bei der Bürgerschaft gemacht hat und die er nicht zurückzahlen will. Sein liederlicher Lebenswandel … Zwischen dem Rat der Stadt, dem ich schließlich auch angehöre, und den reichen, adeligen Familien, die in der Richerzeche und im Schöffenkollegium vereinigt sind, herrscht ein verdeckter Zwist. Die Richerzeche und die Schöffen wollen nichts von ihrer Macht abgeben. Und auch zwischen dem König und seinem Vater steht nicht alles zum Besten. Überall herrschen Zwietracht und Streit.«
    Karl Herkenrath hob mit einer müden Geste die Schultern, seine Augen wirkten traurig und spöttisch zugleich. »Vielleicht bin ich auch nur ein alter Mann, der seine Geisteskraft verliert und überall Schatten heraufziehen sieht.«
    »Nein, das glaube ich nicht«, entgegnete Luitgard. »Und wenn du von Streit sprichst …«
    In der Gasse jenseits der Stände, wo sie und der Zunftvorsteher sich zwischen den Menschen hindurchschoben, waren laute, scheltende Stimmen zu hören. Luitgard wollte sich nicht darum kümmern, stutzte jedoch plötzlich. Sie blieb stehen und lauschte. Karl Herkenrath wurde von der Menge gegen seine Nichte gedrängt.
    »Luitgard …«, begann er ärgerlich und belustigt, nahm dann jedoch die Sorge auf ihrem Gesicht wahr. »Habt ihr Beginen nicht dort drüben einen Stand, an dem ihr Stoffe verkauft?«
    Luitgard nickte. »Ich glaube, ich höre Ermentrauds und Plektrudis’ Stimmen.«
    Als Luitgard und ihr Onkel kurz darauf die Marktgasse erreichten, wo sich der Stand der Beginen befand, versperrte ihnen ein Menschenauflauf den Weg. Luitgard stellte sich auf die Zehenspitzen und spähte über die Köpfe hinweg. Eine kleine, ein wenig füllige Frau, die etwa im gleichen Alter war wie sie selbst und deren nicht unhübsches Gesicht einen harten Zug aufwies, hatte sich vor Ermentraud und Plektrudis aufgebaut. Sie trug einen Mantel aus guter grauer Wolle, an dem sich keine noch so kleine Verzierung befand.
    »Ida Sterzin«, sagte Luitgard halblaut zu ihrem Onkel. »Sie hat schon öfter gegen uns Beginen geschimpft und nun will sie es wohl auf einen offenen Streit ankommen lassen.«
    »Ich vermute, sie hat ebenso viel gegen die Beginen wie gegen dich«, entgegnete ihr Onkel trocken. »Du bist eine Herkenrath, und dass ihr Mann nicht zum zweiten Vorsteher der Deckenweberzunft gewählt wurde, verübelt sie mir. Obwohl die Entscheidung nicht nur bei mir lag.«
    »Pah, die Tochter eines Leinenwebers, die über ihren Stand geheiratet hat«, versetzte Luitgard zornig. Sie kannte Ida Sterzin seit ihrer Kindheit und der Stolz auf ihre eigene Herkunft aus einem wohlhabenden, fast reichen Bürgerhaus stieg in ihr auf. »Ida ist Seidenstickerin und die Frau eines Deckenwebers. Sie soll sich mit dem bescheiden, was sie ist, und nicht nach Macht und Einfluss streben, die ihr nicht zustehen.«
    »Wollt ihr Beginen nicht demütig leben?« Karl Herkenrath bedachte seine Nichte mit einem Lächeln. »Die alten Ordnungen ändern sich. Wir Familien aus dem Rat wollen an der Macht der Richerzeche und der Schöffen teilhaben und so streben auch die weniger bedeutenden Familien nach Einfluss.«
    »Warte hier auf mich!«
    Luitgard drängte sich zwischen den Menschen hindurch. Rücken versperrten ihr die Sicht. Aber die streitenden Stimmen der Frauen waren nicht zu überhören.
    »Ihr Beginen setzt euch über die Preise der Seidenstickerinnen, der Seidenmacher und der Weber hinweg!« Ida Sterzins Stimme klang schrill und zänkisch. »Ich weiß, dass euch die Benediktinerinnenabtei Maria im Kapitol ein Messgewand zum Sticken überlassen hat. Und das nur, weil ihr die Arbeit für weniger Geld ausführt als wir anderen Stickerinnen.«
    »Das ist nicht wahr!«, rief Plektrudis empört.
    Ermentraud, ihre Schwester, trat einen Schritt auf Ida Sterzin zu und fiel ein: »Die Nonnen haben uns den Auftrag erteilt, weil Berchta eine bessere Stickerin ist, als du und deine Töchter und Mägde es seid. Außerdem schätzt uns die Äbtissin.«
    »Wohl wegen eurer Vorsteherin, die sich etwas darauf einbildet, dass die Benediktinerinnen sie erzogen haben!«, schrie die Seidenstickerin

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