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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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geworden. Sie wollte erneut auffahren. Doch Karl Herkenrath schnitt ihr das Wort ab. »Und lasst Euch von mir gesagt sein: Wenn Ihr noch einmal derart verlogene Dinge verbreitet, werde ich mich dafür einsetzen, dass Ihr nicht mit einer kurzen Zeit am Pranger davonkommt. Und ich werde mich außerdem dafür verwenden, dass Ihr eine Bußzahlung an die Beginen entrichten müsst.«
    Die Seidenstickerin schwieg mit zusammengepressten Lippen. Ihre Miene war starr.
    Luitgard beachtete sie nicht länger, sondern sagte zu Ermentraud und Plektrudis: »Packt den Stoff und die gesponnene Wolle zusammen und kommt zum Haus in der Stolkgasse.« Als Luitgard an Ida Sterzin vorbeiging, machte sie unwillkürlich eine Bewegung, als müsste sie etwas Übles von sich abwischen.

    *

    Adelheid, die Äbtissin des Benediktinerinnenklosters Maria im Kapitol, fasste Schwester Gunhild, die ihr in dem sonnendurchfluteten Raum gegenüberstand, scharf ins Auge.
    »Ihr werdet zu den Beginen in der Stolkgasse gehen und Luitgard diesen Brief überbringen.« Die Äbtissin reichte der Nonne ein zusammengefaltetes und gesiegeltes Pergament, ehe sie weitersprach: »Wenn Ihr Luitgard nicht im Haus antrefft, lasst Ihr Euch sagen, wo sie sich aufhält. Ihr sucht sie und übergebt ihr diesen Brief. Habt Ihr verstanden? Ihr übergebt Luitgard diesen Brief. Niemandem sonst. Und Ihr sagt der Vorsteherin der Beginen, dass sie ihn sofort lesen soll.«
    Ein nervöses Zucken lief über das ovale Gesicht der Nonne, deren Wimpern und Augenbrauen so hell waren, dass sie sich kaum von der Haut abhoben. »Aber, Mutter Äbtissin, das … das bedeutet, dass ich möglicherweise in die Häuser von Handwerkern oder in die Wohnungen der Armen gehen muss …«
    »Christus hat dergleichen Behausungen auch aufgesucht«, erwiderte die Äbtissin trocken. »Also wird es Euch nicht schaden, wenn Ihr es auch tut.«
    Die Äbtissin sah Schwester Gunhild nach, wie diese mit nur mühsam zurückgehaltener Empörung den Raum verließ, und dachte boshaft, dass die Benediktinerin heute möglicherweise zum ersten Mal in ihrem Leben die stickige, enge Krankenstube eines Schreiners oder eines Webers betreten würde. Denn ihre adeligen Eltern hatten Schwester Gunhild schon als Kind ins Kloster gegeben.
    Der Blick der Äbtissin fiel auf ein Pergament, das geöffnet vor ihr auf dem dunklen Eichentisch lag. Es war der Grund, warum sie Luitgard eine Nachricht zukommen ließ. Hugo, einer ihrer Großneffen und Abt des Klosters Maria Laach, hatte den Brief geschrieben. Darin teilte er ihr – neben einigen Berichten über Vorkommnisse in seinem Kloster – mit, dass ein päpstlicher Legat, der Kardinal von Trient, wahrscheinlich bald in Köln ankommen werde. Dort, am Hof des Erzbischofs, werde Enzio sich mit Gisbert, dem Inquisitor, treffen.
    Die Äbtissin dachte, dass es vielleicht doch kein Zufall gewesen war, dass sie sich am Morgen bei der Laudes verblättert und die Apokalypse aufgeschlagen hatte, wo geschrieben stand: Die Sonne wurde schwarz wie ein Trauergewand und der ganze Mond wurde wie Blut. Die Sterne des Himmels fielen herab auf die Erde, wie wenn ein Feigenbaum seine Früchte abwirft, wenn ein heftiger Sturm ihn schüttelt. Gott hatte sich gewiss nicht ihrer alten Hände bedient. Aber möglicherweise hatte eine dunkle Vorahnung ihre Seele erfüllt.
    Sie hatte nichts übrig für Irrlehren wie die der Albigenser. Dafür liebte sie die mit den Sinnen erfahrbare Welt viel zu sehr. Aber sie hasste und verachtete die Inquisition. Dass Gott diese Geißel zuließ, bedeutete ihrer Ansicht nach nicht, dass Er sie auch schätzte. Vor rund zwanzig Jahren hatte Papst Innozenz III. diese Plage über die Menschen gebracht. Der jetzige Papst Gregor IX. ließ sie mächtig wieder aufleben. Einer seiner gnadenlosesten Glaubenswächter war der Dominikaner Gisbert. Seit etwa zwei Jahren suchte er das deutsche Königreich heim.
    Bitter dachte die Äbtissin, dass Gisbert wahrscheinlich nicht einmal davor zurückgeschreckt wäre, die große Äbtissin von Eibingen der Ketzerei anzuklagen. In ihren Visionen, in denen sie das Wesen der Dinge geschaut, und in ihren Bildern, in denen sie Gott auch als weiblich beschrieben hatte, hätte er den Teufel am Werk gesehen. Die Äbtissin spürte, wie die Angst nach ihrer Seele griff. Sie selbst war in ihren Predigten dann und wann Hildegard gefolgt und hatte Gott mit weiblichen Worten benannt.
    Selbst Franz von Assisi, der in dem Ruf der Heiligkeit stand, wäre, wenn er

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