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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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zornig. »Luitgard, die Tochter des Anton Herkenrath, die sich schon immer für vornehmer als die anderen gehalten hat!«
    Idas Äußerung versetzte Luitgard einen Stich. Der Onkel hat Recht, dachte sie. Die Beginen wollten ein demütiges Leben führen und den Menschen dienen. Doch es gelang ihr nicht immer, den Stolz auf die Familie abzulegen, aus der sie stammte. Sie versuchte, an einem hoch mit Kohl beladenen Karren vorbeizukommen, aber die beiden Männer, die dicht daneben standen, reagierten nicht auf ihr Rufen und wichen nicht beiseite.
    »Gebt doch zu, dass ihr das Geld, das die Leute euch spenden, damit ihr für sie betet …, dass ihr dieses Geld nehmt und euch feinen Braten dafür kauft und teure Woll- und Seidenstoffe für eure Kleider. Denn geringer tut es eine Herkenrath ja nicht.«
    Zorn flammte in Luitgard auf und verdrängte das Gefühl der Schuld, das sie eben noch empfunden hatte. Energisch klopfte sie einem der Männer vor ihr auf die Schulter. Doch dieser folgte weiter gebannt dem Streit.
    Plektrudis brach in ein höhnisches Gelächter aus und Ermentraud öffnete ihren Mantel aus grober Wolle, unter dem ein Kleid aus braunem, nicht allzu feinem Tuch zum Vorschein kam, drehte sich und zeigte es den Umstehenden. »Ha, trage ich etwa ein Kleid aus Seide?«
    Gemurmel für die Beginen oder für Ida Sterzin wurde laut.
    »He, Ida, was trägst du denn unter deinem Mantel?«, rief eine Frau.
    »Wer interessiert sich für eure Kleider? Zeigt uns, wie ihr darunter ausseht!«, schrie ein Mann.
    Einige der Gaffer lachten.
    Ida Sterzin beachtete die Rufe nicht. »Wenn euch die Leute nicht geben, was ihr wollt, dann sorgt ihr auf eure Weise dafür, dass ihr es bekommt. Den Sohn meiner Nachbarin hatte ein Husten gepackt, so lange, bis sie euch Geld bezahlte. Dann erst habt ihr Bilhildis veranlasst, den Schadenszauber zurückzunehmen, den sie ausgesprochen hatte. Pah, Bilhildis … eure Heilige … Sie soll Gott schauen?! Ich sage, sie täuscht euch mit ihrem sanften Gehabe. In Wahrheit ist sie mit dem Bösen und mit den Irrlehrern im Bunde!«
    Schweigen breitete sich in der Menge aus. Der Lärm des Marktes schien Luitgard sehr weit entfernt zu sein. Ermentraud und Plektrudis blickten Ida Sterzin, die mit vor Wut blitzenden Augen und mit geballten Fäusten vor ihnen stand, verdutzt an, so als könnten sie nicht begreifen, was die Seidenstickerin gesagt hatte. Schmerzlich erkannte Luitgard, dass keiner der Menschen ringsum bereit war, für Bilhildis Partei zu ergreifen. Euch selbst oder euren Verwandten hat sie allen schon geholfen, dachte sie bitter. Der Zorn in ihr wurde immer übermächtiger. Sie rammte dem vor ihr stehenden Schaulustigen den Ellbogen in die Seite, sodass dieser sich zwar empört umdrehte, aber endlich beiseite trat, und schob sich durch die Menge.
    »Wage es nicht noch länger, solche Lügen zu verbreiten!«
    Die Seidenstickerin bemerkte Luitgard erst, als diese schon vor ihr stand und ihr heftig mit der flachen Hand ins Gesicht schlug. Ida Sterzin wich mit einem Schmerzenslaut zurück. Die beiden Frauen maßen sich mit Blicken. Einen Moment lang schien es, als ob die Seidenstickerin, ihr Gesinde und ihre Töchter, die sie nun umringten, sich auf Luitgard und die beiden anderen Beginen stürzen wollten. Doch Karl Herkenrath war seiner Nichte gefolgt und trat neben sie. Und auch einige Verwandte von Ermentraud und Plektrudis drängten nach vorn und gesellten sich zu den Beginen.
    »Hat nicht Bilhildis vor einiger Zeit deine jüngste Tochter von einem Hautausschlag geheilt? Und hast du nicht selbst schon deine Mägde zu ihr geschickt, weil dich Magenschmerzen quälten und die Dienerinnen ein Mittel für dich holen sollten?« Luitgard musterte Ida Sterzin voller Verachtung. »Du bist raffgierig und geizig, Leinenweber-Tochter. Jeder weiß, dass du jeden einzelnen Pfennig mehrmals umdrehst, bevor du ihn herausgibst, und du allen alles neidest.«
    »Was fällt dir ein!«, schrie Ida Sterzin.
    Doch Luitgard sprach mit erhobener Stimme weiter und übertönte den Protest. »Wenn du es noch einmal wagst, derartige Lügen über uns Beginen und über Bilhildis auszusprechen, erhebe ich Klage wegen übler Rede gegen dich. Und ich werde dafür sorgen, dass du am Markttag am Pranger stehen musst. Alle, die zum Markt kommen, sollen dich und dein lästerliches Mundwerk sehen.«
    Ida Sterzins Gesicht war, bis auf die Stelle, wo sich der Abdruck von Luitgards Hand feuerrot auf der Haut abzeichnete, totenbleich

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