Die Buchmalerin
des Seifensieders fiel warmes, bräunliches Licht. In der Luft hingen der Geruch von Leinsamenöl, mit dem Bilhildis die dünnen Tücher getränkt hatte, die sie auf die schlimmen Brandwunden am Körper des Kindes gelegt hatte, und der von Schlafmohn. Den Saft hatte sie dem Jungen eingeflößt, damit er schlafen konnte und die Schmerzen nicht so stark spürte. Müde lehnte sie ihren Rücken an die Wand neben der Bettstatt. Die ganze Nacht hatte sie bei dem Jungen gewacht und die ölgetränkten Tücher gewechselt.
Aus halb geschlossenen Augen blickte sie zu dem kleinen Kind. Das braune Haar klebte schweißnass an seinem Kopf, und obwohl der Schlaf es umfing, war sein Gesicht angespannt und ab und zu durchlief ein Zucken die kleinen Glieder.
Bilhildis beugte sich vor und strich ihm vorsichtig über die Wange. Der Junge war ein Kämpfer. Das hatte er schon bewiesen, als sie ihn scheinbar tot aus dem Leib seiner Mutter geholt hatte. Ebenso behutsam legte sie ihre Hand auf die zarte Brust. Der Herzschlag, der anfangs schwach und zittrig gewesen war, hatte sich seit einer Weile erholt und ging regelmäßig. Wenn sich die Brandwunden nicht entzündeten, würde er überleben. Und diesen Entzündungen ließe sich durch Aufgüsse aus Blättern und Rinde der Salweide entgegenwirken. Eine Aufgabe, die sie Merte, einer heilkundigen Frau aus der Nachbarschaft des Seifensiederehepaares, anvertrauen konnte. Sie würde noch einige Stunden bei dem Jungen wachen und die Frau in ihre Aufgabe einweisen. Wenn sich sein Zustand nicht verschlechterte, würde sie am Nachmittag endlich ihrem Versprechen nachkommen können, das sie Donata gegeben hatte, und die Stadt verlassen.
Nachdem Bilhildis noch einmal eines der dünnen Tücher zurechtgezupft hatte, die den Leib des Kindes bedeckten, lehnte sie sich wieder erschöpft gegen die Wand. Die Seifensiederin hatte wohl Recht gehabt: Gott hatte dem Kind nicht nach der Geburt noch einmal das Leben geschenkt, um es nur wenige Jahre später sterben zu lassen.
Eine Weile lauschte sie auf den leisen Atem des Kindes, während die Schläfrigkeit sie selbst mehr und mehr umfing. Sie befand sich auf der Schwelle zwischen Wachen und Schlafen, als sie von irgendwoher ein Lärmen wahrzunehmen glaubte. Sie war sich nicht sicher, ob der Lärm Teil der Wirklichkeit oder eines Traumes war, kämpfte jedoch gegen den Schlaf an. Als sie die Augen aufschlug, war das Lärmen immer noch gegenwärtig und drang von draußen her in die niedrige Kammer. Ein Schreien und Rufen, dem ein wütender, gewalttätiger Unterton zu Eigen war, der sie entsetzte. Hastig stand sie auf.
Bilhildis fand die Gattin des Seifensieders in der Küche des Hauses, wo die Frau dünne Leinentücher in einem Topf auskochte. Merte, die Nachbarin, war bei ihr. Sie trug noch ihren Mantel. Die beiden Frauen flüsterten miteinander, schraken jedoch auf, als sie die junge Begine bemerkten. Eilig wandte sich die Seifensiederin wieder dem Topf zu und zog den Stoff mit einem eisernen Haken durch das brodelnde Wasser. Die Nachbarin trat an den Tisch und griff linkisch in die getrockneten Blätter, die Bilhildis einige Stunden zuvor dort ausgebreitet hatte. Noch immer war das Lärmen zu hören. Es erschien der jungen Frau noch bedrohlicher als zuvor.
»Was geht in der Stadt vor?«, fragte sie voller Angst.
»Nichts, gar nichts«, erwiderte die Seifensiedergattin, wobei sie den Kopf gesenkt hielt. Bilhildis entging jedoch nicht, dass sich die Mutter des kranken Kindes und die Nachbarsfrau einen raschen, besorgten Blick zuwarfen. Sie fasste die Seifensiederin am Arm, sodass diese sich von der Feuerstelle abkehren und sie ansehen musste, und sagte heftig: »Etwas geht vor und Ihr wisst, was es ist. Ich bin wegen Eures Kindes in der Stadt geblieben. Also seid Ihr es mir schuldig, die Wahrheit zu sagen.«
»Nichts, was Euch kümmern muss«, die Seifensiederin versuchte ein Lächeln, schaute jedoch sofort wieder an Bilhildis vorbei. Sie beugte sich tief über die Feuerstelle und wirkte, als hätte alle Kraft ihren Körper verlassen.
»Nun sagt es Ihr schon«, ließ sich plötzlich die harte Stimme der Nachbarin vernehmen. Bilhildis fuhr zu ihr herum. Die Frau hatte ihre Hände zwischen die getrockneten Blätter auf den Tisch gestemmt und stützte sich schwer darauf. »Der Pöbel zieht gegen Euer Haus in der Stolkgasse …«
Bilhildis starrte die Frau an. Sie versuchte zu begreifen, was Merte gesagt hatte, nahm aber nur wahr, dass die getrockneten
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