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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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länglichen Blätter der Salweide unter den Fäusten der Frau zersplittert waren.
    Der Pöbel … War dies nicht etwas, was Donata vorausgesagt hatte? Dass den Beginen Gefahr drohte, wenn der päpstliche Legat und der Inquisitor in die Stadt kamen? Sie lief zur Tür. Doch die Seifensiederin holte sie ein und hielt sie fest.
    »Bleibt hier! Ihr könnt nichts ausrichten und der Pöbel soll es gerade auf Euch abgesehen haben. Ihr sollt einen Brand im Haus der Sterzins bewirkt haben!«
    Bilhildis riss sich los.
    Draußen, vor dem Haus, blendete sie das grelle Sonnenlicht. Fast blind lief sie weiter in Richtung des Beginenhauses und auf das Schreien zu. Als die Gasse in eine breite Straße mündete, blendete die Sonne sie erneut. Sie sah eine schwärzliche, wogende Masse vor sich, von der sie nur die Umrisse erkennen konnte. Stimmen kreischten ihren Namen. Voller Angst wollte sie umkehren. Aber ein Stein, der sie am Kopf traf, ließ sie taumeln. Der nächste Stein, der nach ihr geworfen wurde, schlug voller Wucht gegen ihre Schläfe. Bilhildis war schon tot, ehe sie in den Unrat am Grund der Gasse stürzte.

    *

    Nachdem Karl Herkenrath hervorgestoßen hatte, dass der Pöbel zum Haus der Beginen in der Stolkgasse zog, herrschte Stille auf dem weitläufigen, winddurchwehten Platz. Heinrich von Müllenark brach es, indem er mit um Festigkeit bemühter Stimme anordnete, dass für ihn und den Kardinal die Pferde gebracht werden sollten. Außerdem befahl er die Soldaten seiner Wache zu sich. Auf die Worte des Erzbischofs hin rannten Bedienstete zu den Ställen. Ein lautes Stimmengewirr erhob sich, in dem Rufe ertönten, dass es um die Beginen nicht schade sei. Andere verteidigten die Frauen.
    Roger fühlte sich immer noch merkwürdig entrückt und beachtete das Treiben auf dem Hof nicht länger. Seine Aufmerksamkeit galt allein dem Kardinal. Beim Anblick des toten Inquisitors hatte der Kardinal Schrecken empfunden, davon war Roger überzeugt. Doch nun war Enzios Gesichtsausdruck wieder ruhig und abwartend. Was auch immer den Zielen des Kardinals zuwiderlaufen mochte, durchkreuzt waren seine Pläne nicht. Im Gegenteil – Enzio wirkte eher, als sei er im Begriff, einen neuen Spielzug auszuführen. Als er die Hand hob und seine Soldaten herbeiwinkte, hielt es Roger nicht länger auf dem Hof.
    Vor dem Tor schaute er sich suchend um. Von der tobenden Menge war nichts zu sehen. Das wütende Schreien ertönte aus der Richtung des Doms. Er rannte ihm nach, stieß Leute, die ihm entgegenkamen, grob beiseite. Auf der Höhe einer großen Kirche, nur wenige Häuserreihen nordwestlich des Doms, verengte sich die Gasse. Ein Knäuel aus Menschen und Karren versperrte sie. Kurzentschlossen bog Roger in eine Gasse, die linker Hand abzweigte. Als er ihr ein Stück gefolgt war, glaubte er, das Schreien weiter entfernt als zuvor zu hören. Er fluchte und blieb im Schatten zwischen den Häusern stehen, um sich zu orientieren. Ein gutes Stück nördlich von ihm blitzte Licht auf, wie von Sonnenstrahlen, die auf Metall trafen. Von dort ertönte auch der Lärm.
    Er rannte weiter, in einen niedrigen Gang zwischen zwei Häusern. Der Weg mündete in eine breitere Gasse. Das Toben der Menge schien nun wieder näher. Während Roger nach einer Möglichkeit suchte, wie er auf die andere Seite der Fachwerkhäuser und noch weiter in die Richtung des Lärms gelangen konnte, registrierte er, dass da und dort kahle Baumkronen hinter den schneebedeckten Dächern aufragten. Neben einer hölzernen Treppe machte er eine Öffnung aus. Er zwängte sich hinein, trotz des sonnigen Tages war es hier, zwischen den Wänden, dämmrig. Er tastete sich an den Mauern entlang und schloss, als er die Rückseite der Häuser erreicht hatte, geblendet die Augen.
    Als er wieder im Stande war zu sehen, erkannte er, dass er sich am Rande von Gärten befand. Die Hinterfront von zwei langen Gebäudereihen begrenzte sie. Das Toben der wütenden Menge erklang nun ganz nah, jenseits der Fachwerkbauten auf der gegenüberliegenden Seite der Pflanzungen. Hastig folgte er dem Pfad, der zwischen einer hohen geflochtenen Umzäunung auf der einen und einer ebenso hohen verschneiten Hecke auf der anderen Seite hindurchführte.
    Der Pfad endete an einem ebenso schmalen Querweg, gesäumt von weiteren Umzäunungen und Hecken. Roger rannte ihn entlang, wobei er sich wieder von dem wütenden Schreien leiten ließ. Den Blick hielt er auf die Umfriedungen gerichtet, hoffte auf einen Durchlass, der ihn

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