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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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und er wurde gegen das Geländer gedrückt. Als er mit den Armen um sich stieß, um sich freizukämpfen, fiel sein Blick auf die einzelne Benediktinerin ihm gegenüber, die ihm zuvor schon aufgefallen war. Die Kapuze war ihr auf den Rücken hinabgeglitten. Mit einem Ausdruck, der von panischem Entsetzen kündete, sah die Frau zu den Soldaten hin, die sich vor dem Beginenhaus versammelten. Zu ihnen waren jetzt auch der Kardinal von Trient und der Kölner Erzbischof gestoßen.
    Roger wusste sofort, dass er die Frau kannte, dass er ihr irgendwo schon einmal begegnet und dies von großer Wichtigkeit für ihn war. Aber erst als die Frau in die Menge hinabsprang und zwischen den Menschen verschwand, begriff er, wen er vor sich gehabt hatte. Er wollte sich über das Geländer schwingen und ihr folgen. Doch wieder wurde er von den nachdrängenden Menschen gegen die hölzernen Latten gedrückt.
    Während er wütend versuchte, freizukommen, erspähte er die Frau noch einmal am Grund der Gasse. Die Bewegung der Menge hatte sie erfasst und trieb sie in Richtung einer großen Kirche, deren Türme mit flachen Hauben versehen waren. Aber ehe es Roger endlich gelang, die Treppe zu verlassen, war sie aus seinem Blickfeld verschwunden.

    *

    Adelheid, die Äbtissin, hörte den Kardinal etwas rufen. Wegen des Lärms, der die Gasse füllte, konnte sie jedoch seine Worte nicht verstehen. Ein Windstoß erfasste den Rauch, der aus einer Fensterhöhle des Beginenhauses quoll. Er verschleierte ihr die Sicht. Sie hustete. Soldaten sprangen von ihren Pferden, schlugen auf die Umstehenden ein, drängten sie beiseite und schafften sich rücksichtlos einen Weg zum Eingang.
    »Kommt«, befahl die Äbtissin den Nonnen. Während sie sich durch die Menschen kämpfte und ihren gichtigen Körper kaum spürte, sagte sie sich, dass der Erzbischof und der Kardinal gerade zur rechten Zeit in der Gasse eingetroffen waren. Lange wären die Beginen nicht mehr zu schützen gewesen … Dennoch empfand sie eine wachsende Unruhe.
    Sie hatten fast den niedrigen Eingang erreicht, als die Soldaten die ersten der Frauen herauszerrten. Allen voran Luitgard. Erleichtert stellte die Äbtissin fest, dass das Gesicht der Vorsteherin zwar sehr bleich war und sie eine blutige Wunde am Kinn hatte, sie jedoch recht gefasst schien.
    In diesem Moment erkannte auch Luitgard die Benediktinerin. Sie vollführte eine Bewegung, als wollte sie sich zu ihr durchdrängen. Aber der Soldat, der sie am Arm gepackt hatte, zerrte sie weiter. Andere Beginen folgten. Die meisten Frauen wirkten tief verstört. Viele von ihnen weinten. Nur eine Frau schien nahezu unbeteiligt und betrachtete die Gaffenden finster. Sie hatte ein grobes Gesicht und dichte schwarze Augenbrauen und war mindestens ebenso groß und schwer wie die beiden Männer, die sie an den Armen festhielten und vorwärts zogen. Die Soldaten trieben die Frauen nun vor einer Hauswand zusammen und umgaben sie in einem Halbkreis. Was ebenso einen Schutz vor dem Pöbel wie eine Gefangennahme bedeuten mochte. Die Äbtissin schob sich weiter durch die Menge, bis sie vor den Pferden des Kardinals und des Erzbischofs stand.
    Vorhin, als die hohen Herren und die Soldaten sich ihren Weg durch die Gasse gebahnt hatten, war das Geschrei der Menge zu einem drohenden Murren abgesunken. Dann, als die Soldaten die Beginen aus dem Haus gezerrt hatten, war es wieder angeschwollen. Doch nun dämpften einige scharfe Rufe aus den Reihen des Gefolges der beiden kirchlichen Würdenträger und einige derbe Hiebe mit Peitschen und den stumpfen Seiten der Waffen das aufflackernde Geschrei.
    »Was auch immer die Beginen getan haben mögen, es ist nicht Eure Sache, darüber zu urteilen und zu richten.« Heinrich von Müllenark hob begütigend seine Stimme. »Andere haben darüber zu entscheiden …« Trotz ihrer Sorge empfand die Äbtissin für einen Moment beinahe so etwas wie Belustigung. Zwischen streitenden Parteien in der Stadt zu schlichten, diese Aufgabe hatte sich der Erzbischof – zusätzlich zu all den Schwierigkeiten, die ihn ohnehin schon heimsuchten – gewiss nicht gewünscht. Rufe: »Die Beginen sind Zauberinnen, tötet sie!«, erschallten, wurden aber rasch zum Schweigen gebracht.
    Enzio von Trient beugte sich vor. Seine Hände ruhten auf dem Hals seines Fuchses, während er die Menge aus kühlen, steingrauen Augen musterte. »Nun, Heinrich von Müllenark, Ihr könnt stolz auf die Bewohner Eurer Stadt sein. Der eine Teil zieht aus, ein

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