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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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Alles Blut war aus ihren Wangen gewichen und ihre Augen hatten einen Ausdruck, als könne sie nicht recht verstehen, was um sie herum geschah.
    »Du da … In der Abwesenheit der Ehrwürdigen Mutter kannst du nicht in ihren Gemächern bleiben.« Mit einer ungeduldigen Handbewegung bedeutete Schwester Gunhild Donata, dass sie aufstehen sollte. »Geh in die Küche, dort wirst du eine Arbeit finden, mit der du dich nützlich machen kannst. Oder suche die Kirche auf und sprich ein Gebet. Wage es aber nicht, noch einmal das Skriptorium zu betreten. Denn auch wenn die Äbtissin dir ihr Vertrauen geschenkt hat – ich bezweifle noch immer, ob du gestern Nacht nicht doch den Lapislazuli an dich nehmen wolltest.«
    Donata erhob sich ungelenk. Das Wachstäfelchen glitt aus ihrer Hand und fiel zu Boden, ohne dass sie darauf achtete. Sie lief einige Schritte hinter der Nonne her. Die Benediktinerin, die davon überzeugt war, dass Donata ihre Anweisung befolgte, kümmerte sich nicht weiter um sie und eilte aus der Tür. Donata blieb mitten im Raum stehen, den grelles Sonnenlicht erhellte. Türenschlagen, Schritte und laute Stimmen drangen aus dem Gebäude zu ihr.
    Als die Geräusche nach und nach verebbten, löste sich ihre Erstarrung. Sie musste ihr Bündel aus der Küche holen und versuchen, die Stadt durch eines der südlichen Tore zu verlassen. Die Stolkgasse lag im Norden. Was auch immer den Pöbel gegen die Beginen getrieben hatte, nach ihr würde in all der Aufregung vorerst wohl niemand suchen.
    Donata wollte sich nicht vorstellen, was mit den Frauen geschehen mochte. Wenigstens hatte Bilhildis die Stadt verlassen. Gegen den Pöbel konnte niemand etwas ausrichten. Sie musste versuchen zu entkommen. Nur das war wichtig.
    Sie wartete noch eine kurze Weile. Da immer noch keinerlei Geräusche aus dem Kloster zu hören waren, ging sie zur Tür. Als sie gegen etwas Weiches stieß, blieb sie überrascht stehen und schaute zu Boden. Ihr Fuß hatte sich in dem schwarzen Mantel der Äbtissin verfangen und ihn von dem Schemel gerissen, auf den ihn die alte Frau vorhin gelegt hatte. Ohne zu überlegen, bückte sich Donata und hob den Mantel auf, um ihn wieder über den niedrigen Stuhl zu breiten. Ihr Blick blieb an der Kapuze hängen. Die Kapuzen an den Mänteln der Benediktinerinnen waren weit und sollten die Gesichter der Nonnen vor der Welt verbergen. Ein Gedanke formte sich in ihr. Sie erschrak darüber, konnte sich aber trotzdem nicht überwinden, das Kleidungsstück loszulassen.

    *

    Roger stieß seine Heugabel in einen Ballen frischen Strohs, der auf einen Karren geschichtet war, und verteilte die Halme auf dem matschigen Grund des erzbischöflichen Hofes. Kaum dass er sie von der Gabel geschüttelt hatte, fuhr der Wind hinein und wirbelte sie durch die Luft. Roger hielt in seiner Arbeit inne und blickte über das Geviert und in den strahlend blauen Himmel, der sich darüber wölbte. Ein Himmel, der, wie er fand, in ein südliches Land passte und nicht in den eisigen Norden.
    Nichts stimmt, dachte er, als er erneut Stroh auf die Gabel spießte. Nach einer schlaflosen Nacht, während der er sich vergebens in der Nähe der Gemächer des Kardinals verborgen hatte, war er überwach. Er empfand eine quälende Unruhe, die ihn fast körperlich peinigte, und hatte das Gefühl, einer wichtigen Fährte ganz nahe zu sein und sie doch wieder und wieder zu verfehlen. Nichts passte zusammen, nichts ergab eine sinnvolle Bedeutung. Warum, in aller Welt, bekümmerte sich Enzio von Trient um eine Gruppe von Beginen und nahm die Rolle eines Inquisitors ein? Um dem Papst zu Gefallen zu sein oder um Gisbert zu dessen Verdruss auf dem eigenen Feld zu schlagen?
    Beides mochten, für sich genommen, Gründe sein. Aber Roger verwarf sie. Diese Gründe entsprachen nicht Enzios Charakter. Dem Papst würde er nicht mehr als nötig zu Diensten sein. Und was Gisbert, den Dominikaner, betraf – es würde Enzio bestimmt amüsieren, ihn zu reizen. Aber er war ein viel zu kluger Spieler, als dass er, nur um seines Spaßes willen, die Bürger einer wichtigen Stadt gegen sich aufbrachte.
    Während Roger das Stroh verteilte, hatte er sich quer über das Geviert vorgearbeitet. Er war nicht mehr weit von einem der Tore entfernt, als drei Männer, die einen großen Karren bei sich führten, den Hof betraten. Auf dem Gefährt befand sich, dies war durch die grob gezimmerten Seitenwände deutlich zu erkennen, ein länglicher Kasten, der etwa der Größe eines Mannes

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