Die Buchmalerin
folgte ihrer Aufforderung und fuhr sich erschöpft mit den Händen über das Gesicht.
»Also eine Art Angebot …« Sie hob fragend die Brauen.
»Ich habe Euch beim Bankett des Erzbischofs erlebt, Euren Streit mit Enzio von Trient … Ich schätze, Ihr habt nichts dagegen, dem Kardinal zu schaden …«
»Wart Ihr ein Gast Heinrich von Müllenarks?«
»Nein, ich war bei den Dienern.«
»Ihr seid ein Bote, der keine Nachricht zu überbringen hat … Ich täusche mich wohl kaum, dass Ihr nicht wirklich zu den Bediensteten gehört?«
»Ich suche nach einer Frau, die ich gegen Mittag vor dem Beginenhaus gesehen habe, als der Pöbel dagegen anrannte. Als Ihr mit Euren Nonnen dort wart … Sie trug den Mantel Eures Ordens, aber ich glaube nicht, dass sie eine Benediktinerin ist.«
Die Äbtissin schwieg und musterte ihn. Ein Anflug von Spott erschien auf ihrem scharf geschnittenen Gesicht. »Ihr wollt also etwas von mir wissen. Aber bevor ich Euch darauf antworte, falls ich es überhaupt tue, müsst Ihr mir doch erklären, warum Ihr dies fragt! Und vergesst nicht: Ihr wollt etwas von mir, ich aber nichts von Euch …«
»Ihr meint, Ihr haltet das bessere Blatt in den Händen«, erwiderte er trocken.
»Nun, wenn Ihr einen so verwerflichen Vergleich wie das Kartenspiel bemühen mögt …« Er hatte den Eindruck, dass sie ihren Spaß an der Situation hatte.
Roger überlegte und strengte sich an, die Müdigkeit aus seinem Kopf zu vertreiben, die es ihm schwer machte, einen klaren Gedanken zu fassen. Geistesabwesend betrachtete er den Fuß des Kerzenleuchters, in dem sich das Licht spiegelte. Drei Vögel – Adler waren es, wie er jetzt erkannte – umgaben den Schaft, in dem eine gelbe Kerze steckte. Die Augen der Vögel bestanden aus einem stumpfen schwarzen Stein. Ihre Schwingen waren ausgebreitet, als seien sie mitten im Flug erstarrt. Die Äbtissin hatte zweifellos Recht, die Trümpfe befanden sich in ihrer Hand. Es nutzte seinem Herrn, dem Staufer, nichts, wenn er schwieg. Er musste das Wagnis eingehen und ihr berichten, warum er den Kardinal verfolgte und warum es nötig war, dass er die Frau fand.
Er richtete sich auf und stützte die Hände auf den Oberschenkeln ab. Als er ihr das Gesicht zukehrte, bemerkte er, dass sie ihn unbewegt angesehen hatte. Nein, es war nicht einfach, die alte Frau zur Gegnerin zu haben.
»Ihr wisst, dass Heinrich, der deutsche König, in den letzten beiden Jahren gegen seinen Vater, den Kaiser, aufbegehrt hat. Zögerlich noch, eher so wie ein Kind, das ahnt, dass es eine Strafe erhalten wird, wenn es sich zu frech verhält …«
Die Äbtissin nickte. Ihre Miene verriet nicht, was sie dachte.
»Nun, der Kaiser will herausfinden, wie weit Heinrich tatsächlich bereit ist zu gehen und ob er sich Hilfe bei anderen Mächtigen holt …«
Ein Funkeln glomm in ihren Augen auf. »Das Gerücht, dass der Staufer über eine große Anzahl an Kundschaftern verfügt, scheint also zuzutreffen …«
»Nennt es, wie Ihr wollt«, Roger zuckte die Schultern. »Der Kaiser erfuhr, dass Papst Gregor den Kardinal als Legaten ins Deutsche Reich schicken wollte. Er vermutete, dass der Papst seinem Schwur untreu werden und, durch die Vermittlung des Kardinals, Heinrich bei seinem Aufruhr gegen den Vater unterstützen würde. Ihr wisst sicher, dass vor drei Jahren, während des Hoftags von Aquileja, Heinrich – auf Geheiß des Kaisers – den Papst darum bitten musste, von ihm exkommuniziert zu werden, falls er wieder gegen den Vater aufbegehren sollte. Gregor hasst den Kaiser zutiefst. Zusammen mit Heinrich, dem König, und den deutschen Fürsten, die auch meist ihrem Vorteil folgen, sowie den norditalienischen Städten könnte er den Staufer ernsthaft bedrohen … Und dieses Bündnis, so glaubt der Kaiser, soll der Kardinal von Trient vermitteln …«
Roger schwieg einen Moment. »Dies alles zieht der Kaiser in Betracht«, sagte er schließlich. »Aber möglicherweise verhält es sich doch anders.« Er vergegenwärtigte sich noch einmal den eisigen Mittag an dem abgelegenen Teich im Wald und den Augenblick, als Enzios Diener den toten Körper des Inquisitors unter das Eis gestoßen hatte. Gleichzeitig erschien das Bild in seinem Gedächtnis, wie die Leiche des Mönchs am Morgen, von gefrorenem Wasser überzogen, in den Hof des erzbischöflichen Palastes gebracht worden war. Wieder empfand er eine große Erleichterung und beinahe so etwas wie Freude darüber, dass er endlich die richtigen Zusammenhänge
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