Die Buchmalerin
sich daran und geht dorthin. Vielleicht aber auch nicht …«
»Immerhin ist es eine Möglichkeit und besser als nichts«, sagte Roger langsam.
»Nun, wenn Ihr es versuchen wollt, das Gehöft liegt in der Gegend von Nideggen …« Sie beschrieb ihm den Weg. Nachdem sie geendet hatte, schaute sie ihn erneut forschend an. »Was werdet Ihr tun, falls Ihr die Frau dort findet? Als rückfällige Ketzerin ist sie keine glaubwürdige Zeugin. Erst recht nicht gegen einen Kardinal und Legaten des Papstes …«
»Ich muss wissen, was sie gesehen hat. Das Weitere wird sich finden.«
»Werdet Ihr versuchen, den Beginen zu helfen?«
»Ich habe eine Pflicht gegenüber dem Kaiser zu erfüllen.«
Sie nickte. Unvermittelt griff sie nach Rogers Arm und hielt ihn fest. Ihre Haut war kühl und erinnerte ihn an altes, brüchiges Pergament. Er dachte, dass sie die Berührung, gichtig, wie die Hand war, schmerzen musste, aber sie verzog keine Miene. »Wenn sich Euch eine Möglichkeit bietet und Ihr nichts tut, um den Beginen zu helfen, werde ich die Hölle auf Euch herabwünschen.«
»Zum einen glaube ich nicht an die Kraft von Flüchen«, versetzte er kalt. »Und zum anderen – könnt Ihr dies mit Eurem Glauben vereinbaren?«
»Oh, was meinen Glauben anbelangt, das lasst meine Sorge sein.«
Sie maßen sich mit Blicken. »Ihr folgt Eurer Pflicht und ich meiner«, sagte Roger schließlich.
»So ist es …« Ihre Stimme hatte wieder den spöttischen Unterton und ihr Gesichtsausdruck wurde milder. »Wie dem auch sei – wenn Ihr nicht eine Weile schlaft, werdet Ihr, fürchte ich, zu überhaupt nichts mehr im Stande sein. Kommt mit!«
Er wollte protestieren, aber sie war schon aufgestanden und hatte vorsichtig die Kerze aus dem Halter genommen. Gleichzeitig spürte er wieder, wie müde er war und dass er sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Sie ging vor ihm her, durch den stillen Raum, den eisig kalten Arkadengang entlang und danach eine steinerne Wendeltreppe hinunter. Eine Pforte führte in einen verschneiten Garten. Das Licht der Kerze huschte vor ihr her, während sie sehr aufrecht und mit leichten Schritten über den gefrorenen Schnee lief.
Schließlich stieß sie die Tür eines Schuppens auf. Im Schein der Kerze sah Roger große, geflochtene Körbe neben einem Stapel grober Säcke auf dem Boden stehen. Ein schwacher Geruch von Saatgut hing in der eisigen Luft.
»Ihr müsst Euch damit zufrieden geben …«
»Ich habe an schlechteren Plätzen geschlafen.«
»Ich nehme an, Ihr wisst, wie Ihr am Morgen ungesehen aus dem Kloster kommt?«
Roger nickte. Die Äbtissin wollte gehen, stand schon in der niedrigen Tür, als er ihr zurief: »Wenn Ihr etwas gegen die Gicht in Euren Händen tun wollt, solltet Ihr eine Mischung aus Andorn und Eberraute benutzen.«
Die Äbtissin drehte sich um. Wieder maßen sie sich mit Blicken. Schließlich meinte sie belustigt: »Ein Bote, ein Diener, ein Kundschafter Friedrichs und ein Heilkundiger … Mit welchen Fähigkeiten könnt Ihr noch aufwarten?«
»Mit der Falknerei. Darin, und was die Medizin betrifft, kenne ich mich wirklich gut aus.« Roger griff in sein Bündel, zog ein Wachstäfelchen und einen Griffel heraus und notierte, wie die Salbe beschaffen sein musste.
Ein rasches Lächeln erhellte das faltige Gesicht Adelheids und ließ es beinahe jung erscheinen, als er ihr das Wachstäfelchen reichte. »Nun, wer auch immer Ihr seid, ich werde Euren Rat befolgen.«
Nachdem sie den Schuppen verlassen hatte, kroch er zwischen die Säcke. Für einen Augenblick, zwischen Wachen und Schlafen, irrlichterten die Worte ›Arzt‹ und ›Falkner‹ und ›Diener‹ durch sein Gehirn.
Irgendwann glaubte er, die Äbtissin, mit der Kerze in der Hand, in dem Schuppen stehen zu sehen. Hinter ihr blähten sich die Schatten wie riesige Flügel über Decke und Wände. Als er in der Morgendämmerung erwachte, erinnerte er sich daran und dachte, geträumt zu haben. Doch nachdem er die Säcke zurückgeschlagen und sich aufgesetzt hatte, erblickte er ein zusammengefaltetes gesiegeltes Pergament und ein Wachstäfelchen auf dem Boden. Während er noch mit der Müdigkeit kämpfte, hob er das Täfelchen auf und las es. Die Buchstaben wirkten ein wenig verzerrt, so als hätte die Schreiberin Mühe gehabt, sie in das Wachs zu ritzen. Ein Brief, mit dem Ihr in Benediktinerklöstern um Hilfe bitten könnt. Vorausgesetzt, dies nutzt auf irgendeine Weise den Beginen.
Er schüttelte den Kopf und schob den Brief
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