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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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eine und der andere ein junger Mann, der ein hübsches kuhäugiges Antlitz hatte und, wie der Kardinal fand, nicht besonders klug wirkte. Neben ihnen lag ein Brett auf dem Boden, das ein Sack bedeckte. Ein Wandlicht beschien es und hob unter dem groben Tuch die Umrisse eines schmalen Körpers hervor.
    »Herr, wir haben die Frau in der Stadt gefunden«, Veit bückte sich und zog den Sack beiseite. »Es ist Bilhildis, die Begine …«
    Enzio schaute auf sie nieder. An ihrer Schläfe klaffte eine tiefe Wunde. Blut verklebte ihr blondes Haar und bedeckte die eine Gesichtshälfte, wo die Haut bis auf die Wangenknochen aufgeplatzt war. Das braune Kleid war zerfetzt. Die Brüste mit Schmutz besudelt und voller Wunden – sei es, dass Steine sie getroffen oder schwere Schuhe auf sie eingetreten hatten. Dennoch wirkte die unzerstörte Gesichtshälfte beinahe friedvoll und es war unverkennbar, dass die Frau sehr schön gewesen war. Flüchtig bedauerte der Kardinal diese Verschwendung, auf die gleiche Weise, wie er eine Scharte in einem kostbaren Kelch oder einen Fleck auf einer schön bemalten Buchseite bedauert hätte.
    »Bilhildis, das ist die Frau, von der es heißt, sie sei heilkundig und könne zaubern, nicht wahr?«, sagte er nachdenklich.
    Veit nickte. Der andere junge Mann rückte von der Toten weg, während der Schreiber erzählte: »Ein Knecht der Sterzins hat sie tot in einem Winkel auf der Gasse gefunden, nicht weit entfernt von dem Anwesen der Familie …«
    Die Idee eines neuen Spielzugs begann sich in Enzio zu formen, unvollständig noch und nicht recht greifbar. Aber der Kardinal ahnte, dass ihm dieser Zug gelingen und er ihn seinem Ziel ein wichtiges Stück näher bringen würde.
    »Behaltet vorerst für euch, dass die Frau tot ist«, befahl er. »Es herrscht ohnehin schon genug Aufruhr in der Stadt.«

    *

    Donata griff nach der vereisten Ranke eines Busches und zog sich einen steilen Hang hinauf. Einmal glitt sie auf dem verharschten Boden aus und krallte ihre Finger in Strauchwerk und zwischen Steine, bis sie schließlich den Hügel erklommen und die Überreste der Hütte erreicht hatte. Sie tastete sich an den verwitterten Brettern entlang. Eine Tür hing schief in ledernen Angeln. Sie zog sie auf und stolperte nach drinnen, wo sie sich zu Boden fallen ließ.
    Eine Weile lag sie nur da, war zu erschöpft, um sich zu rühren, und spürte allein den Schmerz, der in einem schneidenden Pochen von der Ferse aus durch ihr rechtes Bein zog. Schließlich krümmte sich ihr Körper in der Kälte. Sie spürte den Wind, der eisig durch die weiten Ritzen der Bretterwände blies. Mühsam richtete sie sich auf. In dem schattigen letzten Tageslicht bemerkte sie einen Rest Heu in einer Ecke. Sie kroch darauf zu und zerrte es auseinander. Danach breitete sie das trockene Gras über den gefrorenen Boden, legte sich darauf und zog die Halme, so gut es ging, um sich.
    Während sie damit beschäftigt war, spürten ihre Finger einen festen, dicken Stoff. Sie wunderte sich darüber, bis sie begriff, dass sie immer noch den Mantel der Äbtissin trug. Einen derart warmen Mantel hatte sie in den vergangenen vier Jahren nie besessen. Sie empfand eine flüchtige Erleichterung und ärgerte sich gleichzeitig, dass sie nichts an Nahrung aus dem Kloster mitgenommen hatte.
    Der Kardinal von Trient vor dem Haus der Beginen … Ihr leerer Magen krampfte sich zusammen. Ob eine der Frauen sie verraten hatte? Sie versuchte, klar zu denken und die Kälte und den Schmerz in ihrem Bein nicht zu beachten.
    Vor einigen Tagen, in der Küche des Hauses in der Stolkgasse, als der Begarde die Ketzerin erwähnt hatte, die beinahe in dem Kloster an der Mosel gefasst worden war und die der Legat des Papstes seither suchen ließ … Später hatte sie den Anblick des Huhns nicht ertragen … Wenn eine der Beginen doch der Verdacht gekommen war, dass sie die Ketzerin sei, und dies der Inquisition gemeldet hatte? Aber warum hätte die Frau damit warten sollen? Und warum hätte man sie, Donata, noch jetzt in dem Beginenhaus suchen sollen, da sie es schon längst verlassen hatte?
    Nein, es war nichts als ein böser Streich des katzengleichen Dämons gewesen, dass sich der Weg des Kardinals und ihr Weg in der Stolkgasse gekreuzt hatten. Der Dämon hatte ihr zugeflüstert, dass sie den Mantel der Äbtissin überziehen, zum Haus der Beginen laufen und schauen sollte, was dort geschah, was man den Menschen antat, die ihr geholfen hatten.
    Donata legte den Unterarm

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