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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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erschlagen wollte. Seitdem ist auch mein Mantel nirgends mehr zu finden …« Sie fuhr mit der verkrümmten Hand über die Tischplatte, die im Licht der Kerze seidig schimmerte. »Jedenfalls hätte ich nicht gedacht, dass die Frau, Donata heißt sie, noch einmal zur Stolkgasse zurückkehren würde«, fügte sie leise hinzu.
    »Habt Ihr eine Ahnung, wohin sie geflohen sein kann?«
    »Nein.«
    »Was wisst Ihr über die Frau?«
    »Nicht viel, außer dass sie eine ausgezeichnete Buchmalerin war und in Nordfrankreich, in der Nähe von Bayeux, in einem Benediktinerinnenkloster lebte. Dass sie Pflanzen so malen konnte, als seien die Abbilder echt … Als träten sie aus den Buchseiten hervor …«
    Roger erinnerte sich an den Moment, als der Diener des Kardinals das Bündel der Frau durchsucht hatte. An die länglichen, schmalen Dinge, die im Sonnenlicht geglänzt hatten. Und die flehende Gebärde der Frau, als müsste sie diese schützen. »Das war es also …«, murmelte er
    Die Äbtissin sah ihn fragend an.
    »Sie hatte Pinsel bei sich.«
    »Alles, was ich Euch noch sagen kann, ist, dass das Gerücht geht, sie sei als Kind bei Albigensern im Languedoc aufgewachsen. Vor einigen Jahren wurde die Inquisition auf sie aufmerksam. Sie soll versucht haben, albigensischen Predigern zur Flucht über den Kanal nach England zu verhelfen. Kurz danach floh sie selbst aus dem Kloster.«
    »Eine Ketzerin auf der Flucht, die Enzio als Ketzerin suchen lässt … Ich nehme nicht an, dass er ihre Geschichte kennt. Die Wahrscheinlichkeit, sie lebend zu finden, ehe sie dem Kardinal und seinen Leuten in die Hände gerät, dürfte kaum sehr groß sein …«
    Damals, als sie im leichten Schneefall, das Hemd zerrissen und das Gesicht von Entsetzen und Zorn verzerrt, auf das Tor des Klosters zugerannt war … Wieder verwünschte er sich, dass er sie nicht als den Knaben erkannt hatte, dessen Bündel Léon durchsucht hatte. Er hätte ihr nur folgen müssen.
    »Immerhin gelingt es ihr schon seit ein paar Jahren, der Inquisition zu entkommen«, bemerkte die Äbtissin in seine Gedanken hinein.
    »Der Inquisition ja, aber keinem mächtigen Mörder, der nach ihr sucht …« Roger richtete sich auf. »Denkt nach – wisst Ihr wirklich keinen Ort, wohin sie gegangen sein könnte?«
    »Nein«, die alte Frau schüttelte den Kopf.
    »Ich würde sagen, ich habe einen schlechten Tausch gemacht. Ich habe Euch viel erzählt und Ihr mir sehr wenig …«
    Die Äbtissin sah ihn durchdringend an. »Wenn ich Euch helfen könnte, würde ich es tun. Nicht unbedingt, um dem Staufer zu Diensten zu sein, sondern um den Beginen beizustehen … Ich schätze es nicht, wenn Unschuldige in das Spiel der Mächtigen geraten und darunter zu leiden haben. Außerdem wurde Luitgard in diesem Kloster erzogen und sie steht mir näher als die meisten meiner Nichten und Neffen …« Für einen Moment verschwanden der Stolz und die Schärfe aus ihrem Gesicht und es zeigte einen tiefen Kummer.
    »Das tut mir Leid für Euch.« Roger erhob sich schwerfällig. Die Sorge der Äbtissin war ihm gleichgültig. Ich habe versagt, ging es ihm durch den Kopf. Er machte einige Schritte und stieß mit dem Fuß gegen etwas. Er bückte sich und hob das Ding auf. Es war ein Wachstäfelchen. Ein Schreibpult stand nahe bei einem verglasten Fenster. Er legte das Täfelchen darauf und wollte den Raum verlassen.
    »Was habt Ihr aufgehoben? Gebt es mir«, hörte er die Äbtissin scharf sagen.
    Verwundert blieb er stehen und drehte sich um. Ihr Gesicht wirkte plötzlich wieder energisch. »Nun macht schon. Ihr seid jünger und beweglicher als ich.«
    Als er ihrem Befehl gehorcht und ihr das Täfelchen gereicht hatte, betrachtete sie selbstvergessen die kleinen Erhebungen und Vertiefungen, die die Oberfläche des gelben Wachses überzogen. »Vielleicht ist sie dorthin gegangen …«, murmelte sie.
    Roger beugte sich vor. Er musste sich beherrschen, damit er sie nicht bei ihren knochigen Schultern packte und grob schüttelte. »Geht es um die Frau?«, fragte er schroff.
    Sie hob den Kopf. »Gebt auf Euren Ton Acht, Kundschafter Friedrichs!«, erwiderte sie scharf. »Ich habe der Frau diesen Brief an einen meiner Verwalter diktiert … Gegen Mittag, ehe ich und die anderen Nonnen das Kloster verließen. Er handelt von einem Gehöft, das durch einen Brand schwer beschädigt wurde und im Frühjahr wieder aufgebaut werden soll. Wenn sie nach einem Platz sucht, wo sie sich verbergen kann … Vielleicht erinnert sie

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