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Die Buchmalerin

Die Buchmalerin

Titel: Die Buchmalerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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hochrangigen Priester Stellung für die Beginen beziehen. Und jeder Prälat würde sich gleichzeitig hüten, Heinrich von Müllenark zu unterstützen. Denn falls tatsächlich ein Priester des Domkapitels den Bischofssitz verliehen bekäme, musste er sich danach selbst mit den Bürgern der Stadt herumplagen.
    »Nun, wenn es so ist, dass das Gerichtsverfahren gegen die Beginen Eurer Stellung in der Stadt schaden könnte, dann ist es sicher besser, wenn Ihr nicht an der Untersuchung teilnehmt.«
    »Aber es ist meine Pflicht als Priester und Herr der Stadt, dabei zu sein …«
    »Das ist wahr, Ihr seid der Hirte der Stadt … Doch als dieser habt Ihr auch die Pflicht, für das Seelenheil der Frauen zu beten und dafür, dass sie gegenüber der Inquisition die Wahrheit sagen.« Enzio lächelte ihn beruhigend an. »Vor Gott ist diese Aufgabe ebenso wichtig wie die des Richters. Und auch unser Allerheiligster Vater wird damit einverstanden sein, wenn Ihr diesen Teil erfüllt.«
    »Ich will sicher gerne für die Beginen beten …«
    »Seht es doch so«, der Kardinal sprach bedächtig. »Gott hat mich als Legaten des Papstes in diese Stadt geschickt. Gerade jetzt … Damit hat Er etwas bezweckt – für die Beginen, für mich, aber auch für Euch. Wenn ich nicht hier wäre, müsstet Ihr Eurem Richteramt nachkommen. Aber nun …«
    »Ihr meint, es könnte Gottes Wille sein, dass ich nicht als Richter an dem Prozess teilnehme?«
    »Sicher ist es eine gute Fügung, damit Ihr Euch nicht noch tiefer in Schwierigkeiten mit der Stadt verstrickt …«
    Sorgenvoll schaute Heinrich von Müllenark in den gelblichen Dunst, den Rauch und Licht bildeten, als hoffte er auf eine Eingebung. Schließlich entspannte sich sein massiger Leib. »Gewiss deutet Ihr Gottes Willen richtig. Ich will mich der Befragung fern halten und für die Beginen beten.«
    Enzio von Trient nickte ihm wohlwollend zu. »Ihr habt eine kluge Entscheidung getroffen.«

    *

    Am nächsten Morgen, in der Kapelle des erzbischöflichen Palastes, sprach Enzio von Trient die letzten Verse der Messe. Der Schein der Morgensonne fiel durch die rundbogigen Fenster in der Ostwand und tauchte die Apsis in ein gleißendes Licht. Es gab Priester, die das tägliche Lesen der Messe als eine lästige Pflicht betrachteten. Enzio vermutete, dass sein Gastgeber Heinrich von Müllenark zu diesen zählte. Aber er selbst schätzte es, die vorgeschriebenen Handlungen auszuführen und die festgelegten Worte zu sagen. So wie es nötig war, den Körper regelmäßig zu ertüchtigen, war dies eine gute Übung für den Geist. Sie hielt ihn wach und geschmeidig.
    Der Kardinal schlug das Kreuzzeichen und beugte die Knie vor dem vergoldeten Tabernakel, in dem er zuvor den Leib des Herrn verwahrt hatte – Brot, dem Kraft seines Wortes Macht innewohnte und dem die Menschen Wunder zutrauten. Während Enzio zur Sakristei hinüberschritt, streifte sein Blick das Schiff der Kapelle. Niedrig und dämmrig wirkte es im Vergleich zu der hohen, lichtdurchfluteten Apsis. Das Reich des Satans, des gefallenen Engels. Das Reich der Unterlegenen. Nein, sein Platz war hier oben, im Licht. An der Stätte der Mächtigen.
    In der Sakristei trat ein Priester des Erzbischofs zu ihm und wollte ihm helfen, das schwere, mit Goldfäden bestickte Messgewand abzulegen. Doch Léon, der hier auf ihn gewartet hatte, kam dem Geistlichen zuvor. »Herr, einige Soldaten Heinrich von Müllenarks haben in der Stadt einen wandernden Begarden aufgegriffen.«
    »Sie sollen ihn hierher bringen.« Als Léon sich wortlos entfernt hatte, nickte Enzio dem Priester, einem ältlichen Mann mit schütterem Haar und wässrigen Augen, zu.
    »Begarden …«, murmelte dieser verächtlich, während er ihm das Messgewand von den Schultern nahm. »Bettelpack, das wirres Zeug predigt …«
    Eine Hand voll Soldaten, junge Burschen, drängten nun in die Sakristei. Sie hielten einen Mann an den Armen gepackt und schubsten ihn vor sich her. Doch der Begarde riss sich los und stieß zwei der Soldaten, die ihn zu fassen trachteten, mit erstaunlicher Körperkraft zurück. Vor dem Kardinal beugte er die Knie und fasste den pelzbesetzten Saum von dessen Gewand.
    »Herr, ich soll ein Ketzer sein. Aber das entspricht nicht der Wahrheit.« Seine Stimme klang demütig, aber furchtlos.
    »Steh auf!«, befahl Enzio.
    Der Begarde, der um die dreißig Jahre alt sein mochte, hatte ein breites, knochiges Gesicht, dessen Haut wie von Wind und Wetter gegerbt wirkte. Die Schultern

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