Die Bucht der schwarzen Perlen
stand schon tief, und bald würde der Himmel wieder brennen, wenn sie sich dem Horizont näherte.
»Haben Sie was dagegen, wenn ich mich ins Wasser stürze?« fragte Willmore. »Ich habe eine unbändige Sehnsucht nach Abkühlung.« Er riß sich das Hemd vom Körper, ließ die Hose fallen und zog auch den Slip aus. »Halten Sie Tama'Olu im Haus … wenn sie mich so sieht, haben Sie nichts mehr bei ihr zu melden.«
»Idiot!«
Er wartete, bis Willmore über den Strand gelaufen war und in die Lagune watete. Als ihm das Wasser bis zur Brust reichte, machte Willmore einen Satz und schwamm dann hinaus.
In der Hütte saßen die drei Söhne Tápanas um das Lager ihres Vaters und hoben schweigend die Köpfe, als Ron eintrat. Tama'Olu, die in einer Holzschüssel einen Brei rührte, empfing ihn mit einem Blick der Erleichterung und einem zaghaften Lächeln.
»Talitali fiefia, Ovaku«, sagte sie leise. (Willkommen, Ovaku) »Malo …« (Danke)
»Wofür danke?« fragte Ron.
»Du bist zurückgekommen.«
»Ich werde immer zu dir zurückkommen, mein Engel, das solltest du eigentlich wissen. Wie geht es Fatahefi Tápana?«
»Er schläft wieder. Aber sein Kopf ist nicht mehr so heiß, und besser atmen tut er. Fai'fa will dir etwas schenken.«
Fai'fa, Tama'Olus Lieblingsbruder, kam auf ihre Aufforderung hin zu Ron. Den Speer, den Stolz jeden Kriegers, hielt er fest in der Hand. So baute er sich vor Ron auf.
»Ko koe Tangata'eiki«, sagte er mit seiner tiefen Stimme. (Du bist der Herr) Dann riß er plötzlich seinen Speer hoch und hielt ihn Ron hin. »A'au!« (Dein)
Er schenkt mir seinen Speer, durchfuhr es Ron. Das Wertvollste, was er besitzt. Ein Krieger gibt freiwillig seinen Speer ab – eine größere Ehrung gibt es nicht. Ron schüttelte den Kopf.
»Fai'fa, das ist zu wertvoll«, sagte er mit stockender Stimme.
»Nimm es, Ovaku.« Tama'Olu legte Ron von hinten die Arme um die Brust. »Beleidige ihn nicht.«
Ron nickte. Er nahm den Speer aus Fai'fas Faust, drückte ihn an seine Brust und blickte in Fai'fas Augen, die ihn stolz und entschlossen ansahen.
»Malo!«
Fai'fa drehte sich um und ging zum Tisch und zu seinem Vater zurück.
»Jetzt bist du wie er unser zukünftiges Oberhaupt«, flüsterte Tama'Olu und küßte seinen Nacken. »Du gehörst jetzt zu unserem Volk.«
Ron spürte, wie ihm vor Rührung die Kehle eng wurde. Er nickte nur und wußte, daß dies einer der wichtigsten Tage in seinem Leben war. Dann sah er den Speer genauer an, und ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken:
An der gezackten Lanzenspitze klebte noch Dr. Rudecks Blut.
Und Tápana lebte immer noch!
Was, bei allem Optimismus und Wunschdenken, niemand für möglich gehalten hatte, schien wahr zu werden: Tápana überwand die Bauchfellentzündung, er bekam keinen Darmverschluß, die Verklebungen und der Resteiter wurden von den Antibiotika zerstört und dann über den Drain aus dem Körper gespült. Willmore erwies sich als ein vorzüglich ausgebildeter Krankenpfleger. Er wechselte die Verbände, erneuerte den Drain, injizierte Penizillin, und Tama'Olu oder ihre Brüder wuschen den Alten, der schon am dritten Tag nach der Operation aufstehen und zu seinem Haus gehen wollte.
Obwohl Ron weiche Decken von der Yacht geholt und ihm untergeschoben hatte, war es Tápana zu hart auf dem Tisch; seine drei Söhne hoben ihn vorsichtig hoch und trugen ihn in Rons Bett.
Auch Tama'Olus Mutter und Schwester, den Säugling auf dem Arm, besuchten Tápana, hockten vor dem Bett, schwatzten und lachten, und es war selbstverständlich, daß sich das Leben in Rons Hütte verlagerte und die ganze Familie sich um den Kranken versammelte.
Nach acht Tagen saß Tápana bereits im Bett, gestützt durch Kissen, die Ron aus Papeete mitgebracht hatte – Daunenkissen, die von allen bestaunt, gedrückt und geschüttelt wurden. Doch dies geschah erst, nachdem Willmore das Bett freigegeben hatte.
Nach der Rückkehr vom Versteck des Hubschraubers und dem erfrischenden Bad in der Lagune hatte Willmore tatsächlich sofort Rons Bett belegt und war bereit – wie er sagte – es mit Fäusten und Zähnen zu verteidigen.
»Machen Sie nicht solch ein Theater, Ron!« rief er und streckte sich aus. »Sie haben Ihre Luxuskabine auf der Yacht. Da hört Sie keiner, da sieht Sie keiner, da können Sie tun und lassen, was Sie wollen. Da können Sie mit Ihrer Frau herumhexen … nicht mal schwanken wird das Schiff! Mich kriegt hier erst mal keiner weg! Verdammt, und jetzt bekomme
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