Die Bucht des grünen Mondes
man ihnen zusieht, wie sie jagen, mit all den bunten Federn in den Haaren, an den Ellbogen und den Knien und die prächtigen Körper voller tätowierter Falkenfedern, dann möchte man glauben, man sehe einen paradiesischen Urzeitvogel.»
«Sie klingen, als hätten Sie sich verliebt», staunte Bärbel.
«Bestimmt von Droge Wirkung noch», behauptete Maria.
«Aber Herr Oliveira hat erzählt, dass Frauen gar keine Drogen nehmen.»
«Da hat er recht, Frauen ist es sogar verboten, das Rohr zu berühren, mit dem sich die Männer gegenseitig das Pulver in die Nasen blasen», erklärte Amely. «Ich bekam sie trotzdem, denn ich war in ihren Augen keine richtige Frau …»
Sie erzählte, wie es bei den Yayasacu für Heiterkeit gesorgt hatte, dass sie beharrlich ihre Brüste verhüllte. Dass einige sie bis zuletzt für ein seltsames Kind gehalten hatten, da sie selten und schwach ihr Blut verlor. Sie erzählte von vielen wunderlichen Dingen, die Bärbel zum Staunen und Maria zum Schimpfen brachte. Das Feijoada wurde kalt, der Abend brach an. Nur Rubens Existenz blieb tief in ihr verborgen. Kilian musste es zuerst erfahren. Und das möglichst behutsam.
Bärbel wühlte aus ihrem Ärmel ein Taschentuch hervor, in das sie sich laut schnäuzte. «Wir sind so froh, dass Sie wieder da sind», schluchzte sie auf.
Amely stieg aus der Wanne, zog sich ein Nachthemd über und schlüpfte in den von Bärbel aufgehaltenen Morgenrock. Ein letzter Blick auf die abgelegte Männerkleidung am Boden, die eines der Hausmädchen entweder zu Lumpen verarbeiten oder spenden würde – ab jetzt hieß es wieder, sich in viel zu enge und viel zu warme Kleidung zu zwängen. Sie wusste jetzt schon, dass sie es hassen würde.
Als sie ins Schlafzimmer trat, erschrak sie zutiefst. Kilian hockte auf dem Bett, auf dem für sie mittlerweile so ungewohnten Moskitonetz, das unter seinem Gewicht vom Betthimmel zu reißen drohte. Seine Haare, ganz von Rubens Blond, waren so strähnig und verschwitzt, wie sie sie in Erinnerung hatte. Er hob den Kopf.
Gott, er scheint noch so viel älter geworden
. Hatte er zuvor solch große Tränensäcke besessen? Die tiefen Furchen, die seine Mundwinkel herabzogen? Die hängende Haut unter dem Kinn?
«Amely … Sag mir, bist du entführt worden? Oder meinetwegen fortgelaufen, weil der Premierenabend … nicht deiner Vorstellung entsprach?» Sogar seine Stimme klang gebrochen. «Ich wollte dich vergessen. Ich habe es sogar geschafft. Niemand durfte über dich reden … Aber das war ein Fehler, es tut mir leid.»
Amely spürte die alte Furcht in sich hochkriechen. Wie um alles in der Welt sollte sie diesem Mann beibringen, dass sein Sohn unter Indianern lebte? Dass Felipe da Silva sein Vertrauen nicht verdiente? Unwillkürlich machte sie einen Schritt zurück, als er sich erhob und auf sie zukam. Früher hatte sie den Geruch nach Gin kaum wahrgenommen; jetzt tat sie es allzu deutlich. Er packte sie an den Schultern, wankte zurück zum Bett und drückte sie darauf. Sie wollte schreien, fortlaufen.
Sei vernünftig, sei vernünftig
…
Du bist nicht als das verschüchterte Frauchen zurückgekehrt, das du warst
. Sie zwang sich, die Umarmung zu erwidern, in seine Haare zu fassen. Der Versuch, sich vorzustellen, dass sie dem Sohn gehörten, war zum Scheitern verurteilt.
Kilian schnarchte so schlimm, wie er es früher nicht getan hatte. Das Geräusch ließ Amely nicht schlafen. War das nicht widersinnig? Im Dschungel gab es keine leisen Nächte. Nicht so wie hier, wo nur die Blätter der Kübelpalmen über die Sprossenläden kratzten, wenn ein Windstoß kam. Oder die Dielen unter den Schritten eines Hausmädchens knarrten, das sich erleichtern ging. Sie sehnte sich nach Regen. Dann könnte sie die Augen schließen und sich vorstellen, er prassele auf ihre und Rubens Hütte.
Leise öffnete sie die Nachttischschublade und tastete nach Rubens Geschenk, dem aus Brasilholz geschnitzten Tupan, den sie in ihrem Brustband versteckt hatte. Tief unter der Decke vergraben, befingerte sie ihn, rieb ihn über den Leib, über die Wangen und leckte daran wie ein neugieriges Ava-Kind.
Aber Ruben! Bin ich etwa für dich auch ein Kind, dass du mir Spielzeug schenkst?
Du bist eine Frau. Und du gehörst mir.
Zuvor war es schlimm gewesen, neben Kilian zu liegen. Nun war er vor allem anderen Rubens Vater, und das machte es unerträglich.
Ein Epena-Rausch könnte es nicht erträglich machen
, dachte sie. Ganz wie früher hatte er sie
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