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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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straff und wollte doch nicht so recht zum Rest ihrer Figur passen. Um Gottes willen! Konnte das wahr sein? Nach all den misslungenen Versuchen Kilians, ihr ein Kind zu machen?
    Die Frauen der Yayasacu hatten ihr erzählt, was man in der Zivilisation eine Dame niemals lehrte: dass einem morgens übel war; dass man einen kräftigen Hunger entwickelte; dass der Busen schwoll. Nichts davon hatte sie in letzter Zeit wahrgenommen. Aber ihre karge Monatsblutung, die war seit einiger Zeit ganz ausgefallen.
    «Und was bedeutet das nun?», fragte sie ihr Spiegelbild. «Dass ich Kilian ein fremdes Kind unterschieben muss?»
    Und es hätte vielleicht sein blondes Haar
. Sie schlug die Hand vor den Mund. Etwas wollte ihre Kehle hinauf – keine Übelkeit, ein unfassliches Gelächter. Sie lachte, bis ihr der Bauch schmerzte. Sie lachte eine Ewigkeit. Auch dann noch, als sie ein schweres Kristallfläschchen ergriff und gegen ihr Spiegelbild schleuderte. Der Spiegel barst. Die Scherben sprangen aus dem ohnehin viel zu prunkvollen Goldrahmen.
    Das Klirren ernüchterte sie. Ermattet sank sie auf den Toilettenhocker und lauschte, ob jemand an die Tür schlüge. Doch niemand schien den Krach gehört zu haben.
    Sie raffte eine der Scherben auf und hob sie vor das Gesicht. Es war ebenfalls verändert. Jugendlich und doch eines, aus dem ein ganzes Leben sprach. Eine solche Scherbe hatte sie vor nicht langer Zeit in der Hand gehalten. Vielleicht schaffte sie es, wenn sie sich nur richtig anstrengte, sich vorzustellen, Ruben stünde hinter ihr und sie könne ihn nur nicht sehen, weil die Scherbe so schmal war.
    Ein fremder Ava war ins Dorf gekommen. Oimeraepe hieße er und gehöre dem Stamm der Macibe an, hatte der Mann, unterhalb des Kazikenbaums stehend, verkündet, während Rendapu und Yami die Asttreppe herunterstiegen. Er sei auf dem Weg in sein Stammesgebiet. Einige hatten ihn erkannt und freundlich begrüßt. Jeder hatte seine Spiegelscherbe befingert, gelacht und gekreischt und sie eilends weitergereicht.
    Ruben verzog keine Miene.
    «Du erschrickst nicht?», fragte Oimeraepe.
    «Ich sehe mein Gesicht nicht zum ersten Mal in so einer glatten Fläche. Woher hast du das?»
    Der Fremde trat zu Ruben und musterte ihn von oben bis unten. An den Haaren verweilte sein Blick besonders lange. «In unser Dorf kam ein Fremder, der erzählte, dass sein Vater vor langer Zeit einen Ambue’y getroffen habe. Helle Haut hatte der, aber schwarzen Stoff um den ganzen Leib. Sein Kopf war ausrasiert. Er hatte durchsichtige Perlen bei sich, Kämme und anderen Tand. Dafür wolle er nichts, sagte er, aber das Dorf solle die Bilder von Göttern und Geistern verbrennen, weil das schlimm sei – dabei trug er selber das gekreuzte Zeichen der Götterschlange um den Hals!»
    Alle lachten über so viel Dummheit. Yami schlug sich auf die Schenkel; ihr Lachen dröhnte am lautesten. Sogar die ständig mürrische Tiacca hielt sich den Bauch.
    «Ich gebe dir dafür Federn», sagte Ruben, nachdem man sein eigenes Wort wieder verstehen konnte.
    «Ah, Federn. Ich habe genug Federn.»
    «Meine schönsten Federn.»
    «Nein.»
    «Gut, dann ein Jaguarfell.»
    Amely, die all das beobachtete, schnappte nach Luft. Von Eisenstücken und guten Jagdbogen abgesehen, gab es nichts Wertvolleres als ein Jaguarfell. Der Handel war rasch besiegelt. Oimeraepe bewunderte das Fell in seinem Arm, und Ruben kam auf Amely zu. Er legte ihr die uralte, halbblinde Scherbe in die Handfläche. «Die Zunge des Pirarucu hast du nicht gemocht. Vielleicht dies?»
     
    Seit langer Zeit wieder versuchte sie sich auf die Melodien aus
La Gioconda
zu besinnen. Der Besuch im Teatro Amazonas war so furchtbar gewesen, aber die Musik so schön. Die konnte ja nichts dafür, die Musik war unschuldig. Amely schritt über den Rasen. Hin zur Maueröffnung, wo das Wasser des Igarapé
do Tarumã-Açú
rauschte. Es war ein bisschen wie damals, als sie in der Silvesternacht hier entlanggeeilt war, im Nachthemd und mit der Pistole in der Tasche. Dunkel war es nicht, aber sie trug nur ihr Unterkleid. Sie hoffte auch nicht auf einen Einbaum am Ufer, in den sie steigen konnte.
    Nur einmal schauen. Nur einmal auf die andere Seite der Mauer treten
.
    Sie setzte sich auf die oberste Stufe.
    «Não, Dona Amely! Tun nicht, nein! Senhor da Silva, socorro, socorro!»
    Jemand rannte über den Rasen. Erst als ein Schatten auf sie fiel, begriff Amely, dass die Aufregung mit ihr zu tun hatte. Da Silva warf sich regelrecht auf sie

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