Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
Vom Netzwerk:
ordentlichen Arbeitern sehe und gar nicht weiter darüber nachdenke, was es wirklich bedeutet, Kautschuk zu ernten.»
    «Unsinn. Hätte ich Ihnen dann die Wahrheit erzählt?», brummte er.
    «Sie wollten mich mit den Schauergeschichten über Ihr Dasein als Seringuero beeindrucken. Damit hatte mein Mann nicht gerechnet.» Der Gedanke gefiel ihr zu gut, als dass sie davon ablassen wollte. Hatte die Schwarze Maria nicht wunderbar in das Ambiente wie aus
Onkel Toms Hütte
gepasst? «Ist Madonna Delma Gonçalves auch einmal hier gewesen? Hat sie mit ihm auf der Veranda gestanden und sich von der Behauptung einlullen lassen, dass der Gestank des Kautschuks das Schlimmste an der ganzen Sache wäre?»
    «Das weiß ich nicht.» Seine Stimme klang angestrengt.
    «Und seine anderen Frauen – Mädchen wie Consuela? Hat er sich bei denen auch diese Mühe gemacht?»
    Er zündete sich trotz des strengen Verbots, hier zu rauchen, eine Zigarette an und hielt sie unter den verschränkten Armen, während er sein Pferd mit den Schenkeln lenkte. Teufel auch, wie konnte ein verdorbener Halunke wie er so gut aussehen? Die Erinnerung an seine Lügengeschichte ließ sie vor Empörung zittern. Ärgerlich wischte sie über den störenden Schleier. «Seine Söhne – haben die auch gefragt? Und Ohrfeigen kassiert?»
    Ungeduldig schnaufte er.
    «Ob er wohl mit Ruben hier haltmachte?», redete sie unbeirrt weiter. «Damals, während des Ausfluges, bei dem Ruben dann umkam?»
    Sie konnte nicht anders, als ihn unverwandt anzusehen. Herausfordernd. Stirnrunzelnd erwiderte er ihren Blick.
    «Weshalb haben Sie Wittstock damals nicht die Leiche seines Sohnes gebracht?», fragte sie.
    «Hatte ich das nicht erwähnt?» Er rieb sich über das Kinn, gähnte und tat alles, unschuldig zu wirken. «Ruben war so übel zugerichtet, dass man ihn unmöglich Wittstock zeigen konnte. Die Hitze tat rasch ein Übriges. Ich musste ihn an Ort und Stelle begraben. Was unter der Erde im Park der
Casa no sol
liegt, sind nur seine Kleider. Nun, Senhora Wittstock, welcher dieser Männer hier soll in den Genuss Ihrer Unterstützung kommen? Alle diese Leute haben eine mindestens zehnköpfige Familie und nichts weiter als eine schwimmende Hütte am Fluss.»
    Sein säuerlicher Ton ärgerte sie zutiefst. Alles an ihm brachte sie in Harnisch. Mühsam besann sie sich auf den vorgeschobenen Grund ihres Hierseins. Sie zog an den Zügeln; ihre Stute schritt an dem Spalier der Arbeiter vorüber. So sehr echauffierte sie sich über da Silva, dass sie jetzt niemals imstande wäre, die richtige Wahl zu treffen. Doch dann war es einfach: Nur einer der Männer hatte den Kopf gehoben, während die anderen auf ihre Füße starrten. Die indianischen Züge und der dunkle Ton seiner Haut verrieten, dass er einer jener Cafusos war. Seine Augen unter buschigen Brauen waren misstrauisch verengt. Dieser Kerl roch nach Aufsässigkeit.
    «Der da», sagte sie nur und lenkte ihr Pferd in Richtung der ‹Hütte›. Als sie sich diese Szene während der Herfahrt auf der
Amalie
ausgemalt hatte, hatten ihre Wangen vor Scham gebrannt. Als sei sie eine römische Frau, die auf dem Markt von ihrer Sänfte herunter einen Sklaven kaufte. Doch jetzt war ihr gleich, was diese Männer von ihr dachten.
    «Die anderen sollen je hundert Réis bekommen», sagte sie, als da Silva wieder an ihrer Seite ritt.
    «Wie Sie wünschen, Senhora Wittstock.»
    Ich kann’s mir nicht verkneifen, zum Donnerwetter, und wenn ich mir die Zunge abbeiße
, dachte sie.
Ich kann es einfach nicht
. «Sie haben gelogen, da Silva. Sie haben Ruben niemals gefunden.»
     
    Saß man in der Teestube der ‹Hütte› und blickte durch die Fenster hinaus, erwartete man Obsthaine oder einen Hof zu sehen, in dem Kinder eine Gänseschar jagten. Nur nicht die grüne Wand des Dschungels. Die Räume waren mit schlichten Biedermeiermöbeln ausgestattet. Geblümte Vorhänge hingen an den Fenstern; Stilleben in ovalen Rahmen schmückten die in zartem Blau gestrichenen Wände. Das Hausgesinde bestand aus zwei Mädchen und einem alten Kammerdiener, der ihr
mate de coca
in eine Tasse mit Zwiebelmuster goss. Der Duft frischgebackener Butterplätzchen wehte durchs Haus. Was das Häuschen von außen versprach, hielt es im Innern. Hier hätte sie sitzen sollen, nach jener ersten Begegnung mit Kilian. Aber dann war, in einem der Schlafzimmer über ihr, Gero gestorben, und alles war anders gekommen.
    Draußen knarrte die Veranda. Leise Stimmen. Es klopfte an der

Weitere Kostenlose Bücher