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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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und packte ihre Handgelenke. Vergebens versuchte sie, sich ihm zu entwinden und ihm die kräftigste Ohrfeige zu verpassen, deren sie fähig war.
    Sprach tatsächlich Besorgnis aus seinen dunklen,
falschen
Augen?
    «Lassen Sie mich los», sagte sie kalt.
    «Erst lassen
Sie
die Scherbe los.»
    Amely starrte auf ihre Hand. Die längliche Scherbe war an den Kanten blutig. Blut troff über ihr Handgelenk, hinein in ihren Ärmel. Da sie nichts tat, umfasste da Silva ihren Arm so fest, dass sie sich nicht zu rühren vermochte, und hob vorsichtig das Spiegelglas von ihrer Handfläche. Er warf es fort.
    «Dona Amely, bitte nicht», heulte Maria, sich die Schürze herunterreißend, die sie um Amelys Hand legte.
    «Ich habe das gar nicht gemerkt», sagte Amely, doch ihre Worte gingen in dem herzzerreißenden Geheul der Negerin unter. Über den Rasen kam Doktor Barbosa gerannt. Und auch ein paar Gärtner und Hausmädchen kamen näher und flüsterten aufgeregt miteinander. Verwirrt ließ Amely zu, dass da Silva unter ihre Achseln fasste und sie auf die Füße stellte.
    «Ich trage Sie ins Haus, Senhora Wittstock», sagte er entschuldigend und hob sie auf die Arme.
     
    Doktor Barbosa legte die Hand auf ihre feuchte Stirn. «Sie zittern ja», sagte er mitfühlend. Es war nur die blanke Angst, die sie erbeben ließ. Ein Arzt würde doch sicher keine Mühe haben, eine Schwangerschaft zu erkennen? Sie bekam ein Fieberthermometer in den Mund gesteckt. Still musste sie liegen, während er, auf der Bettkante sitzend, seinem Arztkasten das Stethoskop entnahm, das Bruststück an seiner Weste polierte und es dann, den Blick züchtig seitwärts gerichtet, in den Ausschnitt ihres Unterkleides schob. Ordentlich verstaute er wieder das Instrument, klappte seine Taschenuhr auf und tastete nach dem Puls ihrer unverletzten Hand. Zuletzt zog er ihr das Thermometer aus dem Mund und ließ sie den Mund weit öffnen.
    Seine Stirn war in Falten gelegt. Er kraulte seinen Backenbart. Schließlich schüttelte er den Kopf, erhob sich und verließ ihr Zimmer.
    «Und?», hörte sie draußen Kilians Stimme. «Wie geht es ihr?»
    «Sie ist gesund», erwiderte Herr Barbosa. «Körperlich ist alles unauffällig.»
    Ihr schwindelte vor Erleichterung.
    «Aber nicht ihr Gemüt.»
    Aha
, dachte sie.
Deshalb bemühen sie sich so wenig, leise zu reden. Weil ich ja sowieso nichts begreife.
    «Hat sie gesagt, warum sie sich die Pulsadern aufschneiden wollte?»
    Du meine Güte!
    «Aber nein; ich habe das auch gar nicht gefragt.»
    «Arme Dona Amely.» Die Schwarze Maria schluchzte auf. «Hat Schlimmes erlebt in Dschungel. Bärbel erzählt, Dona Amely esse Pflanzenblatt.»
    «Tatsächlich?», brummte Kilian. «Sie sollte an die Ostsee in Kur. Kann man ihr eine mehrwöchige Reise nach Europa zumuten?»
    «Aber, aber, nun sehen Sie die Sache nicht so dramatisch», rief der Arzt mit unterdrückter Stimme. «Reiche Frauen sind oft verschroben und hysterisch. Sie wissen nichts mit ihrer Zeit und ihrem Besitz anzufangen. Kleider und Parfüm im
Paris ’n America
kaufen – wen soll denn das auf die Dauer glücklich machen? Und so mancher schlägt aufs Gemüt, dass sie auf den Straßen so viel Elend sehen muss. Erschwerend kommt bei Senhora Wittstock hinzu, dass sie so viel Muße hat, über das, was ihr widerfahren ist, nachzusinnen. Man weiß ja noch gar nicht, was da alles passiert ist.»
    «Ganz Schlimmes», schluchzte Maria. «Ganz bestimmt.»
    «Sei still, Maria», knurrte Kilian. «Doutor Barbosa, was soll ich denn mit ihr machen? Sie hatte mir ja schon in den Ohren gelegen wegen der indianischen Arbeiter. Wollte allen Ernstes, dass ich eine Indiofrau von der Straße hole und im Haus anstelle. Und ich dachte damals, als ich bei ihrem Vater um ihre Hand anhielt, dass sie als preußische Frau genügend Selbstbeherrschung und Würde aufbringen wird – stattdessen jammert und nörgelt und heult sie!»
    Ich kann förmlich sehen, wie du die Hände ringst.
    «Ich weiß es nicht, Senhor Wittstock», raunte Doktor Barbosa. «Sie soll es machen wie Senhora Ferreira: eine Stiftung gründen, eine arme Familie unterstützen, mit dem Automobil durch die Stadt fahren und Geldscheine aus dem Fenster werfen, irgendetwas in der Art. Auch das macht Senhora Ferreira, und sie scheint ja eine ganz fröhliche Dame zu sein. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden.»
    Sie hörte ihn davonstiefeln. «Wenn’s denn hilft, bitte», brummte Kilian in sich hinein. «Ich sage dem Chauffeur,

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