Die Bucht des grünen Mondes
dass er den Benz Velo fahrbereit machen soll. Oder nein, besser gleich den neuen Motorwagen.»
«Aber Dona Amely müsse erholen erst!»
«Ich sagte ja nicht, sofort, Maria! Morgen, was weiß ich!»
Jetzt läuft er im Kreis wie ein Hund an der Kette
.
«Und wenn sie es schon wie alle reichen Damen macht, soll sie sich im Karneval amüsieren. Da Silva, wie kommt es eigentlich, dass Sie immer zur Stelle sind, wenn man Sie braucht? Sie haben wirklich ein Händchen dafür. Passen Sie auf, dass meine Frau nicht noch mehr Dummheiten macht. Himmelherrgottnochmal, ich werde mich noch nach dem vergangenen Jahr zurücksehnen.» Er entfernte sich schnaubend. «Die Armen unterstützen! Das nennt man wohl Flausen mit Flausen austreiben. Das ist doch dummes Zeug.»
Aber nein, ich finde die Idee großartig
.
«Setzen Sie sich doch, Senhora Wittstock.» Herr Oliveira schob ihr einen Stuhl zurecht. «Miguel, hole der Senhora einen Tee. Und etwas Gebäck. Bitte entschuldigen Sie mich noch für einen Moment, Senhora.»
Amely ließ sich gegenüber seinem Mahagonischreibtisch nieder. Der junge Miguel, der im letzten Jahr ordentlich in die Höhe geschossen war, eilte sofort hinaus, obwohl sie nichts verlangt hatte. Aber Tee und Knabbereien gehörten wohl zu einer müßigen Dame. Herr Oliveira bewegte sich zwischen dem Telephonapparat und den Stapeln von Briefen, Akten, Telegrammen und Zeitungen hin und her und mühte sich mit seiner linkischen Eleganz, das Vermögen seines Herrn zu vermehren. Kautschuk, Börsennotierungen, Kautschuk, unliebsame Konkurrenten, Kautschuk, Handelsgesellschaften, Kautschuk, Dollars, Kautschuk, zwanzigprozentige Steuer, Kautschuk und nochmals Kautschuk … Was er in den Trichter sprach oder schreibend vor sich hin murmelte, langweilte sie entsetzlich. Es interessierte sie schlichtweg nicht mehr, wie und womit ihr Gatte sein Geld verdiente.
Außer natürlich, soweit es ihren Plan betraf.
Schließlich schob Herr Oliveira seine Papierberge zur Seite und faltete die Hände. «Ich bitte nochmals um Verzeihung, Senhora …»
Wie üblich
.
«… aber diese Dinge sind unaufschiebbar. Mit Ihrer Erlaubnis habe ich für morgen einen Juwelier ins Haus bestellt, der sich um einen neuen Ehering für Sie kümmern wird.»
«Ah, ja. Natürlich.»
«Was kann ich für Sie tun?»
Der Gedanke, ihn zu bitten, etwas gegen den Eisenbahnbau zu unternehmen, war flüchtig. Er war ein ehrlicher, freundlicher Mensch und doch nur die rechte Hand Kilians.
«Ach, bevor ich es vergesse», er zog eine Schublade auf und holte ein dünnes Päckchen hervor. «Die Briefe des letzten Jahres für Sie.»
Sie nahm den Packen entgegen und überflog die Absender. Julius, Tanten, Cousinen … Die Briefe ihres Vaters waren geöffnet. «Danke.» Sie steckte sie in ihr Spitzenhandtäschchen und sah Herrn Oliveira mit einem verlegenen Lächeln an. «Ich finde die Idee mit den Geldscheinen, die man aus der Kutsche wirft, nicht so schön.»
«Bitte? Geldscheine?» Er unterbrach sich, als Miguel mit dem Tee hereinkam. Der Junge stellte das Tablett vor sie auf den Schreibtisch und strahlte sie an. «Oh,
das
meinen Sie», Herr Oliveira erhob sich, um ihr über den Tisch hinweg einzuschenken. «Sie möchten etwas Gutes tun.»
«Ja. Aber was?»
«Spenden Sie den Jesuiten. Oder den Spitälern. In den ärmeren harren drei, vier Kranke auf einem Strohsack aus.»
«Um Gottes willen. Haben Sie nie …» Sie stockte. Es war unhöflich, so etwas zu fragen.
«Doch.» Kurz senkte er die Augen. Fast beschämt. «Oder bezahlen Sie die Schulbildung armer Kinder, bringen Sie Familienväter in Lohn und Brot. Diejenigen ohne Arbeit sind ja auch wirklich die Ärmsten der Armen.»
«Wie macht man das – eine arme Familie unterstützen?»
«Ich kümmere mich darum.»
Es fiel ihr nicht leicht, mit der verletzten Hand, deren Verband sie unter einem Spitzenhandschuh verborgen hatte, zuzugreifen. «Aber … ich meine …»
«Sie meinen, Sie möchten die ausgewählte Familie gerne kennenlernen?»
«Genau das.»
«Und gehe ich recht in der Annahme, dass Sie eine indianische Familie bevorzugen möchten?»
«Nun …»
«Oder sprächen Ihre Erlebnisse eher dagegen? Sie müssen dazu natürlich nichts sagen, Senhora.»
Sie sprang auf; die Tasse entglitt ihr. Flecken zierten ihr Kleid und den gleichermaßen teuren Teppich. Herr Oliveira beeilte sich, um den Schreibtisch herumzukommen und die Tasse aufzuheben. Miguel rannte, einen Lappen zu holen.
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