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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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«Nein», murmelte sie, an die hohen Fenster tretend. «Das kann ich auch nicht.»
    Hoffentlich war ihm das einsetzende Schweigen so unangenehm wie ihr. Über den Rasen sah sie Felipe laufen, als einziger der Angestellten wie üblich in einem derangierten Aufzug. Sein Anhängsel, diesen schrecklichen Pedro, hatte sie seit ihrer Rückkehr nicht gesehen. Als sie bemerkte, dass Herr Oliveira neben sie trat, ließ sie den Blick auf Kilians anderer ‹Hand› verweilen, bis Felipe außer Sichtweite war. Ob Herr Oliveira jemals geahnt hatte, dass sie in Felipe verliebt war? Seinem Scharfsinn traute sie einiges zu.
    «Sind die Familien der Seringueros nicht die Bedauernswertesten von allen?», sagte sie leise. Mit niedergeschlagenen Augen wandte sie sich ihm zu.
    «Ich verstehe.» Er räusperte sich. «Gut, ich werde eine Adresse besorgen. Haben Sie bestimmte Wünsche und Vorstellungen? Senhora Ferreira zum Beispiel besucht einmal jährlich ihre Familie. Natürlich mit einer Leibwache.»
    «Oh, das fände ich nun doch ein wenig beängstigend.» Sie strahlte ihn an. «Spräche etwas dagegen, diese Familie in den Reihen von Senhor Wittstocks Arbeitern zu suchen? Ich würde gerne einen Ausflug zur ‹Hütte› unternehmen. Dort droht mir keine Gefahr.»
    «Von den Arbeitern nicht. Aber von den Mücken …»
    «Na,
die
schrecken mich doch nicht mehr!»
    «Ich werde alles arrangieren», sagte er, sichtlich erfreut, sie zufriedengestellt zu haben. Wahrscheinlich dachte er, dass es gut war, wenn sie wieder für ein paar Tage verschwand. Wahrscheinlich hielt er sie für närrisch. Gut so. Dann geriete sie auch nicht in Verdacht, etwas ganz anderes zu bezwecken. «Und Sie fühlen sich auch wirklich kräftig genug dafür, Senhora? Ich werde mit Doutor Barbosa Rücksprache halten, wenn Sie nichts dagegen haben. Nur versprechen Sie mir, dass Sie sich von zwei Leibwächtern und Senhor da Silva begleiten lassen.»
    «Selbstverständlich.» An der Tür wandte sie sich um und lächelte ihn an. «Sie wissen immer genau, was man möchte, Herr Oliveira. Selbst wenn man es selber noch nicht weiß.»
    Das Lob ließ ihn hüsteln.
     
    Da Silva lehnte sich über den Sattel und brach den Ast eines
Hevea brasiliensis
. Oder des Seringueira, wie der brasilianische Vorarbeiter den Kautschukbaum nannte.
Der Baum, der weint, klingt viel schöner
, dachte Amely. Ebenfalls hoch zu Ross, züchtig im Damensattel, ordentlich in einem Sommerjäckchen, mit einem Barett auf den hochgesteckten Haaren und einem Gazeschleier vor Augen, sah sie zu, wie er den Ast schüttelte. Die ohnehin spärlich vorhandenen Blätter segelten zu Boden.
    «Die Blattfallkrankheit», sagte er. «Der Kautschukbaum ist zickig wie eine Jungfrau. Er mag es nicht, wenn man ihn entblößt», er wies mit dem kahlen Ast über die vom Unterholz befreite Fläche, auf der die Kautschukbäume nur vereinzelt wuchsen. Einige waren verkümmert; an den Stämmen der anderen hingen die Eimer mit dem so begehrten Saft. Derzeit war niemand der Arbeiter beschäftigt, sie zu leeren. Stattdessen kämpften sie an den Rändern der riesigen Lichtung, dem Wildwuchs aus dem Dschungel Einhalt zu gebieten. «Daran scheitert es auch, den Baum in Plantagen zu ziehen. Sie stehen dann zu eng.»
    Er warf einen Blick zurück zu dem hübschen Häuschen, vor dessen Veranda Amely ihrem Mann zum ersten Mal begegnet war. Und ihm, Felipe da Silva. «Wissen Sie, Amely, dieser Wald hier ist eine ziemlich lächerliche Angelegenheit. Ihn instandzuhalten, mitsamt der ‹Hütte›, kostet mehr, als er einbringt. Und das nur, weil Wittstock sich vielleicht einmal im Jahr für ein paar Tage hierher zurückziehen und dann beim Frühstück auf der Terrasse dem Ernten zusehen will.»
    «Er kann sein Geld zum Fenster hinauswerfen, wie er möchte», sagte sie spitz.
    «Natürlich.»
    Gemächlich ritten sie über die gerodete Freifläche. Nacheinander richteten sich die Arbeiter auf, zogen ihre Strohhüte und verneigten sich. Es waren Brasilianer, Mestizen, Neger und solche, die man Cafusos nannte: Söhne von Schwarzen und Indios. Sie machten einen ordentlich genährten Eindruck, und ihre Jutekleidung war schweißfleckig und geflickt, aber nicht zerlumpt. Felipe befahl den Männern, sich nebeneinander aufzustellen.
    «Wissen Sie, was ich glaube, Senhor da Silva? Als mein Gatte mich hier empfing, war das nicht, weil er sich zufällig hier aufhielt, mitsamt Maria und Gero. Es war arrangiert, damit ich dieses schöne Wäldchen mit den

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