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Die Bucht des grünen Mondes

Die Bucht des grünen Mondes

Titel: Die Bucht des grünen Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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hellsilberne Blüten mit verschlungenen Stängeln, die im Licht glänzten.
    Unten gaben die Aras ein wahres Trompetenkonzert von sich. Was für ein schreckliches Geräusch! Sie schlug die Hand vor die Augen, versuchte die Tränen fortzukämpfen. Vergebens. Eine unsichtbare Kraft schüttelte sie. Nein, sie wollte Kilian nicht. Sie wollte nicht irgendwann in das andere Zimmer mit der goldenen Klinke übersiedeln müssen. Sie wollte nicht, sie wollte nicht!
    Als es klopfte, wischte sie sich hastig die Tränen aus dem Gesicht. Sie durfte nicht weinen. Schließlich war sie eine anständige Preußin und keine von diesen Südamerikanerinnen, die ihre Gefühle vor sich hertrugen. «Bitte?»
    Consuela kam mit einer Porzellankanne und einem Handtuch über dem Arm herein. Aus der Schublade des Toilettentischs holte sie eine Schüssel, ein Seifenschälchen und einen Waschlappen. Sie füllte die Schüssel und blieb abwartend vor Amely stehen.
    «Ich würde gerne eine Photographie von Gero sehen», kam es Amely ganz unverhofft in den Sinn. «Und von seinen Brüdern. Wäre das möglich?»
    «Seine Brüder?», hauchte Consuela. Unter der brasilianischen Bräune wurde sie fahl. Sichtlich kämpfte sie mit der Anordnung, nicht über die Söhne zu sprechen. Als sie antwortete, war ihre Stimme kaum mehr als ein Flüstern. «Ich sehe nach, aber ich kann es nicht versprechen, Senhorita.»
    «Danke, das wäre sehr nett von dir. Ich werde Herrn Wittstock gegenüber auch nichts erwähnen.»
    Das zu sagen war gewagt, schließlich wusste Amely nichts über das Mädchen und dessen eigene Verschwiegenheit. Über Consuelas Gesicht jedoch huschte ein erleichtertes Lächeln. Sowie Amely allein war, ging sie zum Toilettentisch und legte Jacke und Bluse ab. Liebend gern hätte sie sich gänzlich entkleidet – alles an ihr fühlte sich an, als hätte sie sich monatelang nicht gewaschen. Sie tauchte den Lappen in das Wasser, rieb Seife darauf und fuhr sich damit über den Nacken. Eine Wohltat. Das Wasser rann ihr zwischen die von dem Korsett zusammengedrückten Brüste.
    Eine Hand legte sich auf ihre Schulter.
    Sie sackte auf den Hocker. Kilians Hand folgte ihr, rieb ihre Haut. Sie wollte weglaufen. Und saß doch nur starr.
    «Ich bin etwas durcheinander, Amely», begann er mit schleppender Stimme. «An meinem Arm hättest du das Haus betreten sollen, stattdessen bin ich in Gedanken einfach vorneweg gelaufen.»
    Ihre Finger kneteten den nassen Waschlappen, dass das Wasser auf ihren Rock tropfte. Sicherlich waren jetzt Worte des Bedauerns über den schrecklichen Verlust angebracht. Sie fand keine. «Das macht ja nichts.»
    Im Spiegel über dem Toilettentischchen sah sie nur seine Schulter. Dass sein Gesicht unsichtbar blieb, ließ sie sich noch ausgelieferter fühlen. Nicht einmal Julius hatte je ihre nackten Schultern gesehen. Geschweige denn, sie so angefasst.
    «Gefällt dir das Zimmer?»
    «Ja, sehr.»
    «Es gehörte meiner verstorbenen Frau. Liebe Amely, unter den gegebenen Umständen wirst du gewiss verstehen, dass unsere Heirat in kleinem Rahmen stattfinden wird.»
    «Natürlich, Kilian. Ich verstehe das.» Ihre Zerknirschtheit war nicht gespielt, denn sie fühlte sich von alldem erdrückt. Eine Heirat, die so verlegen abgetan wurde wie diese Beerdigung, war ihr jetzt nur recht.
    «Gut.» Seine Hand wagte sich tiefer, seine Fingerspitzen berührten den Ansatz ihrer Brüste. «Das Aufgebot beim cartório zu bestellen, das ist das hiesige Standesamt, dauert normalerweise einen Monat. Von den anderen Formalitäten, deinen dauerhaften Aufenthalt betreffend, ganz zu schweigen. Aber es lässt sich auch schnell regeln. Wir können morgen schon heiraten. Wenn es dir recht ist? Die kirchliche Trauung holen wir in ein paar Monaten nach, am Tag nach
unserem
Abend. Du weißt doch noch, unser Abend?»
    Offenbar hatte er mit Geld nachgeholfen; und so erübrigte sich die Frage, was
sie
wollte. Wie sollte sie noch ablehnen können? Und wozu? «Der Premierenabend.»
    «La Gioconda.» Er seufzte. «Ich brauche Trost, Amely. Und das Leben ist so unsicher, wie du gesehen hast. Du musst …»
    …
schwanger werden
, ergänzte sie das einsetzende Schweigen. Es war wie ein heißer Schmerz, als er eine ihrer Brustwarzen berührte. Ihr stockte der Atem. Verzweifelt fuhr sie hoch, wirbelte herum und drückte sich gegen den Toilettentisch; die Schüssel kippte und ergoss ihr Wasser auf den seidenen Chinateppich. Endlich, endlich gelang es ihr, Luft zu holen.
    «Verzeih

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